Beflügelt vom Boom bei Urlaubsreisen ziehen Airlines das Geschäft mit Pauschalreisen an sich und werden zu Konkurrenten ihrer eigenen Kunden, den Reiseveranstaltern. So kaufte die Lufthansa-Tochter Eurowings ihre schon länger vom Reiseveranstalter HLX gemanagte Sparte Eurowings Holidays auf. Von April an führt Eurowings das Geschäft mit kurzfristig kombinierten Flügen und Unterkünften selbst und will es kräftig ausbauen. «Eurowings wird Dynamik in den deutschen Touristikmarkt bringen», sagte Airline-Chef Jens Bischof am Rande der Reisemesse ITB in Berlin in dieser Woche. Er verspricht sich davon eine «ordentliche» Marge, wenn Reisen direkt ohne Vermittler online verkauft werden.

Branchenkenner geben zu bedenken, es höre sich einfacher an als es in der Praxis ist, mit Pauschalreisen gut zu verdienen. Im Veranstaltergeschäft liege die Gewinnspanne bei nur zwei bis drei Prozent vom Umsatz. Die dynamische Pauschalreise, mit wenigen Wochen Vorlauf angeboten, sei ein preisaggressives Produkt, sagt ein Tourismusfachmann. Erst mit grossen Mengen Buchungen könne sich das Geschäft lohnen.

Vorbild Easyjet

Die Marke Eurowings Holidays wurde mit der HLX-Gruppe bereits 2020 auf den Markt gebracht. Im vergangenen Jahr habe das Geschäft mit Reisepaketen 300 Millionen Euro Umsatz mit rund 250'000 Kunden gebracht und sei profitabel gewesen, sagte Bischof. Das ist fast zehnmal so viel Umsatz pro Kunde wie beim reinen Flugticket-Verkauf. Ziel ist es laut Bischof, innerhalb von fünf Jahren unter die Top-Ten der deutschen Reiseveranstalter aufzusteigen. Das entspräche etwa einer Verdoppelung des Holiday-Umsatzes.

Ein Vorbild dafür sind die britischen Billigflieger Jet2 und Easyjet, die schon gutes Geld mit Reisepaketen verdienen. Easyjet Holidays steigerte den Vorsteuergewinn im vergangenen Geschäftsjahr um 56 Prozent auf umgerechnet 226 Millionen Euro - das waren 31 Prozent des gesamten Betriebsgewinns und 17 Prozent im Verhältnis zum Umsatz der Sparte.

Die Kundenzahl von zuletzt 2,6 Millionen will Easyjet um 25 Prozent steigern, denn die Nachfrage wächst, Verbraucher halten zunehmend nach günstigen Paketen Ausschau. Den Marktanteil an Pauschalreisen bezifferte Easyjet auf sieben Prozent. Jet2 gilt als Nummer eins bei Pauschalreisen in Grossbritannien. In Deutschland, wo auch Eurowings-Konkurrent Condor schon länger Reisen verkauft, entfällt auf den Direktvertrieb der Airlines nach Schätzung des Marktforschers Travel Data + Analytics ein kleiner einstelliger Prozentanteil.

«Ritt auf der Rasierklinge»

Die entstehende Konkurrenz zu den Reiseveranstaltern, die beim Ferienflieger Eurowings Kontingente an Flugtickets kaufen, sei nicht unproblematisch, sagte ein Insider. «Für eine Fluggesellschaft wie Eurowings ist eine eigene Veranstaltertätigkeit ein Ritt auf der Rasierklinge», erklärte der Branchenkenner. Einerseits wolle die Airline das eigene Veranstaltergeschäft weiterentwickeln. Andererseits könnten sich die Reiseveranstalter-Kunden, die Sitzplatz-Kontingente abnehmen und die Flugzeuge füllen, über allzu starke Konkurrenz ärgern.

Die Chefs der zwei grössten europäischen Reisekonzerne geben sich in dieser Hinsicht gelassen. «Jeder Wettbewerber ist sehr ernst zu nehmen», sagte TUI-Chef Sebastian Ebel. Man müsse beobachten, was sie gut oder nicht so gut machten. Mehr Konkurrenz sei ein Ansporn für den grössten Tourismuskonzern, das Geschäft mit dynamischen Reisepaketen zu verstärken. So bietet TUI mit Europas grösstem Billigflieger Ryanair Reisepakete an und will das Modell mit weiteren Airlines verfolgen.

Es gebe keinen Grund, vergrätzt zu sein, sagte auch Ingo Burmester, Chef Zentraleuropa von Dertour. «Wir haben eine sehr enge und gute Beziehung zu Eurowings als Flugpartner», sagte der Manager. «Wir arbeiten auch mit Eurowings Holidays zusammen.» Die Airline paketiert ihre eigenen Flüge oder auch die anderer Fluggesellschaften mit Hotels aus dem Dertour-Portfolio.

Dertour vertreibt über seine Reisebüros wiederum Reisen von Eurowings Holidays. Michael Erfert, Vertriebschef von Eurowings, ist die Gratwanderung bewusst: «Das Ganze ist natürlich keine Kriegserklärung an unsere Vertriebspartner, sondern das ist im Gegenteil eine Ergänzung unseres Vertriebskanalportfolios.»

(Reuters/cash)