Die SIX-Gruppe und Aquis hätten sich auf die Konditionen eines Barangebots geeinigt, heisst es in einer Mitteilung der SIX vom Montag. Die SIX werde das gesamte ausgegebene und noch auszugebende Aktienkapital von Aquis erwerben. Im Rahmen des Angebots stünden den Aquis-Aktionären 727 Pence pro Aktie in bar zu. Der Kaufpreis für das gesamte Aktienkapital beläuft sich damit auf rund 207 Millionen britische Pfund.
Die 2012 gegründete Aquis mit Hauptsitz in London und einem EU-Standort in Paris ist den Angaben zufolge in mehreren Geschäftsbereichen tätig. Das Unternehmen betreibt ein multilaterales Handelssystem (MTF) für Aktien in 16 europäischen Märkten («Markets»), lizenziert ihre eigenen Marktinfrastrukturtechnologien an externe Kunden («Technologies»), betreibt einen Primärmarkt für KMU und Wachstumsunternehmen in Grossbritannien («Stock Exchange») und bietet Marktdaten an, die aus den Handelsaktivitäten von den Bereichen «Markets» und «Stock Exchange» abgeleitet werden («Data»).
Alternative Handelsplattform
Das vor zwölf Jahren als Start-up-Börse mit einem fixen Gebühren-Modell gegründete Unternehmen begibt sich nun unter die Fittiche einer grossen Börsengruppe mit mehr Ressourcen. Aquis habe sich zu einer diversifizierten europäischen Börse mit breitem Produktangebot entwickelt, die künftige Wertschöpfung sei aber stets mit operativen, kommerziellen und Marktrisiken verbunden, lässt sich Aquis-CEO Alasdair Haynes in der Mitteilung zitieren. Die Übernahme durch die SIX verringere diese Risiken und biete den Aquis-Aktionären einen sicheren Wert mit einer erheblichen Prämie.
Als Teil von SIX werde Aquis weiterhin unter ihrer bestehenden Marke agieren, profitiere aber von den Ressourcen und der Grösse der SIX sowie zusätzlichen Investitionen in die Weiterentwicklung, sagt Bjørn Sibbern, Global Head of Exchanges bei der SIX. Sibbern kam Anfang Jahr von der Nasdaq als neuer Börsenchef und wird damit nun künftig neben der Schweizer Börse und der spanischen Börse BME auch für Aquis zuständig sein.
Mit der Akquisition werde die SIX zu einer paneuropäische Börsengruppe mit traditionellen Börsen und einem MTF-Geschäft, heisst es weiter. MTF steht für «Multilateral Trading Facility» und ist ein Handelssystem, an dem Aktien und anderen Finanzinstrumente gehandelt werden, die an traditionellen Handelsplätzen (wie SIX Swiss Exchange, BME oder Euronext) kotiert sind. Im Allgemeinen sind MTF im Vergleich zu Primärbörsen weniger streng reguliert.
KMU als Zielgruppe
Die klassischen Börsen leiden seit längerer Zeit an den tiefen Handelsvolumen. Dabei spielen auch alternative Handelsplätze wie MTF eine Rolle, welche sich bei Investoren immer mehr als gute Alternative durchgesetzt haben. Mit dem Kauf wird die SIX nun selbst zur MTF-Betreiberin. Diese Handelsplätze entstanden ab 2007 mit der Umsetzung von MiFID I (europäische Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente). Börsen konnten nicht mehr verlangen, dass Unternehmen Aufträge ausschliesslich an sie weiterleiten, infolgedessen entstand der Wettbewerb durch MTF.
Weiter will die SIX mit der Übernahme in Grossbritannien auch das KMU-Geschäft ausbauen. Es biete sich so die Möglichkeit, einen wettbewerbsfähigen paneuropäischen Börsenplatz für KMU und Wachstumsunternehmen zu schaffen, heisst es. In der Schweiz versucht die SIX seit längerer Zeit, mit dem Handelssegment «Sparks» mehr KMU an die Börse zu locken. Bisher ist in dem vor drei Jahren gegründeten Börsensegment allerdings erst ein einziges Unternehmen kotiert.
Die letzte grosse Übernahme im Börsenbereich war die Bolsas y Mercados Españoles (BME). Die SIX hatte die spanische Börse im Sommer 2020 für rund 2,6 Milliarden Euro gekauft.
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(AWP)