cash: Herr Fust, Sie haben schon Ihre Banklehre bei der Graubündner Kantonalbank (GKB) gemacht. Nun sind Sie seit 1. Oktober CEO. Wie verlief der Start als Bankchef?
Daniel Fust: Es hat sicher geholfen, dass ich sehr vertraut bin mit der Bank. So kam ich gut und energievoll aus den Startblöcken. Wir wollten gleich zu Beginn Zeichen setzen auch im Hinblick auf unser Jubiläumsjahr. Die Bank feiert 2020 ja ihr 150-jähriges Bestehen.
Welche Kundenanliegen spürten Sie bislang am meisten?
Die Kunden wollen Einfachheit. Die Graubündner Kantonalbank hat rund 200'000 Kunden, die Hälfte davon braucht E-Banking. Das heisst: Bei der anderen Hälfte, die noch analog unterwegs ist, müssen wir sehr vorsichtig sein, was Weiterentwicklungen betrifft. Diese Innovationen müssen so einfach gestaltet sein, dass sich zum Beispiel auch ältere Leute damit zurechtfinden. Wir wollen die Digitalisierung nach dem Nützlichen ausrichten, nicht nach dem Möglichen.
Haben Sie dazu Beispiele? Und Verbesserungspotenzial?
Im Retailbereich muss die Kommunikation mit der Bank via App sicher besser werden. Im Anlagebereich haben wir im Jahr 2016 schon früh mit der digitalen Beratungsunterstützung begonnen. Wir sind offen gegenüber der Technologie von Robo-Advisorn. Aber wir glauben nicht, dass Robo-Advisor heute schon so ausgereift sind, dass wir sie auf Kunden 'loslassen' können. Wir verfolgen im Anlagebereich eher einen hybriden Ansatz. Die digitale Beratungsunterstützung haben wir mit dem Fintech Swissquant und einer weiteren Kantonalbank entwickelt. Die Lösungen sind einfacher und verständlicher geworden.
Das Geschäft mit Online-Hypotheken ist im Vormarsch. Da sind Sie aber skeptisch…
Unsere Kunden sollen sich im Prozess der Eigenheimfinanzierung sicher digital integrieren. Aber wir haben keine Anzeichen, dass der Kunde das Bedürfnis hat, seine Hypothek am Sonntagmorgen online fix und fertig abzuschliessen.
Es treten immer mehr Anbieter im Schweizer Hypothekenmarkt auf. Wie halten Sie als Kantonalbank dagegen?
Die Konkurrenz ist zugegebenermassen stark. Es sind aber weniger die Online-Hypotheken als vielmehr die Hypotheken-Plattformen, die geographische Hürden wegen der Digitalisierung überwinden können. Das ist eine Herausforderung. Wir haben aber ein sehr gutes Kosten-Ertrags-Verhältnis, wir haben Eigenkapital als Puffer und eine hohe Effizienz, die es uns erlaubt, im Preiskampf mitzumachen. Wir wollen indes kein Wachstum über zusätzliche Risiken.
Ihr Vorgänger Alois Vinzens sagte einmal, dass die GKB nicht unbedingt mehr Marktanteile im Hypo-Markt im Kanton gewinnen will. Ist das auch Ihre Strategie?
Das Potenzialwachstum im Kanton Graubünden ist tiefer als im gesamtschweizerischen Schnitt. Und wir sind Marktführer im Kanton, das Wachstum ist daher begrenzt.
Das Hauptwachstum im Hypo-Markt bei der GKB ist proportional gesehen ausserkantonal. Ich nehme an, das ist vor allem der Kanton Zürich.
Ausserkantonal wachsen wir primär über unsere Netzwerke. Damit meine ich im speziellen unsere Partnerbanken in Zürich, die Privatbank Bellerive und der Vermögensverwalter Albin Kistler. Deren Kunden haben Finanzierungsbedürfnisse. Wachstum sehen wir im Kanton Zürich, aber auch in der übrigen Deutschschweiz. Die grossen Wachstumszahlen kommen indes nicht aus diesem Netzwerk, sondern aus dem Bereich Immobilienfondsrefinanzierungen.
Wie sehen Sie die Preisentwicklung bei den Immobilien-Hotspots wie Davos oder St. Moritz?
Das Überangebot an Zweitwohnungen hat die Preissteigerungen ein wenig gedämpft. Andererseits sind das Tiefzinsniveau und der Anlagenotstand dafür verantwortlich, dass nach wie vor Nachfrage vorhanden ist. Ich würde also nicht von einem Preisrückgang sprechen. Im Rheintal, das nicht so 'gehypt' ist, haben wir eine solide bis leicht steigende Preisentwicklung. In den peripheren Lagen im Kanton rechnen wir dagegen eher mit sinkenden Preisen.
Ein grosses Thema bei Bankenkunden ist das Thema Negativzinsen. Die GKB hat seit April neu eine Schwelle von 250'000 Franken für Neukunden und 3 Millionen Franken für bestehende Kunden. Haben Sie Kundenreaktionen?
Mit einer grosszügigen Grenze von 3 Millionen Franken sind bei uns nur ganz wenige Privatkunden von Negativzinsen betroffen. Daher haben wir wenige Reaktionen. Wenn ein Kunde ein gewisses Geschäftsvolumen im Anleihe- oder Ausleihungsgeschäft vorweist, kann die Limite auch deutlich höher sein. Wir wollen nicht wegen kurzfristiger Ertragsoptimierungen Kunden verlieren.
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Man hört von Kantonalbank-Kunden, dass sie unter sanften Druck gesetzt werden, ihre Bargeldbestände zu investieren. Machen Sie das auch?
Druck ausüben wäre ein ganz schlechtes Rezept. Man muss eine Überzeugung wecken können, dass die beste Anlage nicht unbedingt ein Sparkonto ist. Als klassische Spar- und Hypothekenbank möchten wir seit Jahren aber auch eine Anlagebank sein. Wir haben hohe Anlagekompetenz mit eigenem Investment Center.
Der Erfolg, die Sparer zum Investieren ihrer Vermögen zu überzeugen, ist eher bescheiden, sagte ihr Vorgänger Vinzens vor zwei Jahren im cash-Interview. Sind Sie diesbezüglich erfolgreicher?
Es ist nicht einfacher geworden, die Sparer ins Anlagegeschäft zu bringen. Ein 'Anlegerneuling' erkennt primär die Risiken und nicht die Chancen des Anlegens. Das braucht Überzeugungsarbeit.
Ist es verantwortungsvoll, den Sparern nach zehn Jahren Börsenhausse noch im grossen Stil Aktieninvestments zu empfehlen?
Das sind eben die schwierigen Diskussionen. Im Grundsatz muss man investiert sein. Ob die Märkte hochstehen oder nicht, ist nicht matchentscheidend. Ebenso wenig die Frage, ob eine Aktie nun teuer bewertet ist oder nicht. Wichtig ist, dass die Vermögenszusammenstellung zum Risikoprofil des Kunden passt.
Ist es nicht pervers, dass man fürs Sparen zunehmend bezahlen muss und fürs Schuldenmachen belohnt wird?
Das sagen Sie jetzt. Aber man merkt, dass im volkswirtschaftlichen Gefüge etwas durcheinandergeraten ist. Wenn Geld keinen Wert mehr hat, dann wird es richtig gefährlich. Das ist der Nährboden für Blasenbildungen in irgendwelchen Anlageklassen. Aus Sicht einer Bank ist das Negativzinsregime überhaupt nicht gut. Ich muss Ihnen nicht sagen, dass die Kollateralschäden immer signifikanter werden. Auf der anderen Seite sehe ich aber auch die schwierige Aufgabe der Nationalbank.
Wie lange geht es, bis die Leitzinsen in der Schweiz wieder bei 0 Prozent stehen?
Wir schätzen, dass die Nulllinie bei den Leitzinsen im Jahr 2024 oder 2025 durchstossen wird. Das ist etwa der Marktkonsens.
Bei einer so langen Zeitdauer: Können Sie sich vorstellen, dass die GKB die Schwelle für Negativzinsen für Sparer weiter heruntersetzt?
Im Moment deutet nichts darauf hin.
Die GKB hat Mehrheitsbeteiligungen bei der Privatbank Bellerive und Albin Kistler. Können Sie sich vorstellen, andere Beteiligungen oder Übernahmen von Vermögensverwaltern zu tätigen?
Ja, wir sind sehr offen, weitere Beteiligungen zu kaufen. Allerdings mit einem klaren Korsett, das wir definiert haben. Die Kundenstruktur muss klar schweizerisch sein. Wir wollen auch keine grenzüberschreitenden Zukäufe tätigen, und wir müssten die Mehrheit haben. Eine Beteiligung müsste auch eine gewisse Grösse haben.
Haben Sie ein Minimum an verwalteten Vermögen im Kopf?
Fünf Milliarden Franken müssten es mindestens sein. Minderheitsaktionäre müssten unsere Wertvorstellungen zudem teilen.
Müsste eine solche Privatbank oder ein Vermögensverwalter, wie Albin Kistler und und die Privatbank Bellerive, ihren Sitz in Zürich haben?
Nein, das muss nicht sein. Was die Kundenstruktur betrifft, dann kommt die ganze Schweiz für Beteiligungen in Betracht. Aber es gibt dabei sicher so etwas wie Sprachbarrieren. Wir hatten ja einmal eine Repräsentanz in Lugano. Und so viel kann ich sagen: Dieser Bankenplatz hat definitiv nicht auf uns gewartet.
Im letzten Jahr hatte die GKB ein Rekordergebnis, die Halbjahreszahlen 2019 lagen zudem über den Erwartungen. Alles spricht für ein neues Rekordergebnis für 2019.
Wir sind auf Kurs und gut unterwegs, die nach oben korrigierten Prognosen zu erreichen, die wir im Juli bekannt gegeben haben. Damals sagten wir, dass der Geschäftserfolg leicht höher ausfallen werde als Anfang Jahr prognostiziert. Wir mussten damals aber auch den Nettoneugeldzufluss nach unten korrigieren. Das ist ein Abbild der Negativzinsen. Das Geld hat also andere Orte gefunden, wo es nicht von Negativzinsen betroffen ist.
Können die Inhaber der Partizipationsscheines auf einen höhere Dividende oder eine Sonderdividende wegen des Jubiläumsjahres hoffen?
Da kann ich heute leider nichts dazu sagen.
Der Kurs des PS der GKB kommt seit drei Jahren nicht richtig vom Fleck. Nehmen Sie den Kursverlauf des Wertpapiers als Mass für Ihre Leistung?
Nicht eins zu eins. Es hat andere Einflussfaktoren, welche den Kurs bewegen und die den Einflussbereich der Bankleistung übersteigen. Ein Grund ist sicher der überschaubare Anteil frei handelbarer Aktien.
Was planen Sie für das Jubiläumsjahr?
Als Kanton, der weiss, wie sorgfältig er mit der Natur und den Ressourcen umgehen muss, wollen wir nachhaltig Zeichen setzen. Ein 20-köpfiges Team arbeitet an verschiedenen Projekten. Das grosse Thema ist Wasser und Gletscher. Wir investieren dabei in das Forschungsprojekt 'MortAlive' des bekannten Glaziologen Felix Keller. Wir planen eine Haltestelle mit Besucherzentrum entlang der Berninastrecke der Rhätischen Bahn. Wir verdoppeln auch unser Engagement bei unserem nachhaltigen Beitragsfonds 'Forza'. Oder wir beleben, nebst vielen anderen Projekten, einen Startup-Fonds neu.
Daniel Fust ist seit 1. Oktober 2019 CEO der Graubündner Kantonalbank. Er ist somit Nachfolger des langjährigen CEO Alois Vinzens. Fust ist seit 2012 Mitglied der GKB-Geschäftsleitung und war bis zu seiner Ernennung zum CEO Leiter der Geschäftseinheit Marktleistungen. Von 2002 bis 2012 leitete er den Bereich Risk Management. Von 1997 bis 2002 war Fust Leiter der Abteilung Treasury/Cash Management. Der 52-jährige gelernte Bankfachmann wohnt mit seiner Familie in Bonaduz GR.