Von Boeing, Carnival und Delta Air Lines über Exxon Mobil bis zu Macy’s - viele der bekanntesten Unternehmen der Vereinigten Staaten verdienen nicht genug, um ihre Zinskosten abzudecken. In der Definition der meisten Marktexperten ist dies ein Schlüsselkriterium für den Status "Zombie".

Fast 200 Unternehmen sind seit Ausbruch der Pandemie zu so genannten Zombiefirmen mutiert, zeigt eine Analyse der Finanzdaten von 3'000 der grössten börsennotierten Gesellschaften des Landes, die Bloomberg vorgenommen hat. In der Tat machen Zombies mittlerweile fast 20 Prozent dieser Firmen aus.

Noch schlimmer ist, dass in dieser Zeit die Verbindlichkeiten in ihren Bilanzen um fast eine Billion Dollar gestiegen sind, was ihre Gesamtschulden auf 1,36 Billionen Dollar erhöht. Das ist mehr als das Doppelte der rund 500 Milliarden Dollar, die Zombie-Unternehmen auf dem Höhepunkt der Finanzkrise schuldeten.

Fed hat möglicherweise Depression verhindert

Die Folgen für die wirtschaftliche Erholung Amerikas sind tiefgreifend. Die Bemühungen der Federal Reserve, eine Insolvenzwelle durch den Kauf von Unternehmensanleihen abzuwehren, könnte sehr gut eine weitere Depression verhindert haben.

Die Notenbank half Hunderten von angeschlagenen Unternehmen, einen nahezu uneingeschränkten Zugang zu den Unternehmensanleihemärkten zu bewahren. Aber damit lenkten die geldpolitischen Entscheidungsträger möglicherweise unbeabsichtigt den Kapitalfluss zu unproduktiven Unternehmen, was die Beschäftigung und das Wachstum noch jahrelang beeinträchtigt, sagen Ökonomen.

"Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir fragen sollten: Was sind die unbeabsichtigten Folgen?", sagte Torsten Slok, Chefökonom bei Apollo Global Management. "Die Fed hat aus Stabilitätsgründen beschlossen, einzugreifen. Sie wusste, dass sie Zombies erschaffen würde. Nun stellt sich die Frage: Was ist mit den Unternehmen, die am Leben erhalten wurden, sonst aber ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hätten?"

Ultralockere Geldpolitik hat Folgen

Zwar werden Zombiefirmen häufiger mit den 1990er Jahren in Japan, dem Nach-Krisen-Europa oder auch China in den letzten Jahren assoziiert. Aber in den USA ist ihre Zahl seit über einem Jahrzehnt gestiegen, was teilweise auf die jahrelange ultralockere Geldpolitik zurückzuführen ist.

Zombie-Unternehmen erhalten diesen Spitznamen wegen ihrer Tendenz, sich weiter durchzuschleppen, nicht genug zu verdienen, um ihren Schuldenberg abzutragen. Die aber dennoch über ausreichenden Zugang zu Krediten verfügen, um ihre Verbindlichkeiten zu verlängern. Sie belasten die Wirtschaft, weil sie Vermögenswerte in Unternehmen binden, die sich Investitionen und Expansion nicht leisten können.

Natürlich muss nicht jedes Unternehmen, das zum Zombie wird, für immer eines bleiben. Es gibt viele Comeback-Beispiele von Boston Scientific bis Sprint. Viele Unternehmen, deren Gewinne aufgrund des Coronavirus-Ausbruchs ausradiert wurden, werden wahrscheinlich wieder durchstarten, sobald ein Impfstoff es der Weltwirtschaft ermöglicht, wieder zu einem normaleren Leben zurückzukehren. Möglicherweise benötigen sie letztlich nicht sämtliches aufgenommenes Fremdkapital.

Düsteres Bild

Jedoch wird das schiere Volumen an Verbindlichkeiten, das in Schwierigkeiten geratene Unternehmen in den letzten Monaten beschafft haben, mit ziemlicher Sicherheit die Fähigkeit einiger einschränken, Investitionen zu tätigen und sich an veränderte Verbrauchergewohnheiten anzupassen. Covid-19 hat die Art und Weise verändert, wie Amerikaner ihr Geld ausgeben.

Die Analyse von Bloomberg untersuchte das nachlaufende 12-Monats-Betriebsergebnis von Unternehmen im Russell 3000 Index im Verhältnis zu ihren Zinsaufwendungen im gleichen Zeitraum.

Die Ergebnisse zeichnen ein düsteres Bild. Mehr als ein Sechstel der Indexmitglieder beziehungsweise 527 Unternehmen haben nicht genug verdient, um ihren Zinszahlungen nachzukommen, verglichen mit 335 Unternehmen Ende letzten Jahres. Ihre derzeitigen Gesamtverbindlichkeiten von 1,36 Billionen Dollar stellen die 378 Milliarden Dollar an Schulden in den Schatten, die Zombiefirmen vor Beginn der Pandemie berichteten.

Reise- und Warenhausbranche in der Bredouille

Boeing hat laut von Bloomberg zusammengestellten Daten in diesem Jahr einen Anstieg der Gesamtverpflichtungen um mehr als 32 Milliarden Dollar verzeichnet, während die Schuldenlast von Carnival um 14,8 Milliarden Dollar gestiegen ist, bei Delta belief sich die Zunahme auf 24,2 Milliarden Dollar, bei Exxon auf 16,2 Milliarden Dollar und bei Macy’s auf 1,2 Milliarden Dollar.

Die vier grossen US-Fluggesellschaften sind mit einer Gesamtverschuldung von 128 Milliarden Dollar 2020 allesamt zu Zombies geworden. Und die Zahl der Kinos und anderen Unternehmen aus der Unterhaltungsbranche auf der Liste ist von 2 im letzten Jahr auf 10 angeschwollen, mit einer zusätzlichen Verschuldung von fast 28 Milliarden Dollar.

"Wir unterscheiden zwischen wandelnden Verwundeten und wandelnden Toten", sagte Ken Monaghan, ein Portfoliomanager bei Amundi Pioneer. "Es stellt sich die Frage, ob sich das Geschäftsmodell infolge der Pandemie so stark verändert hat, dass das Überleben in Frage gestellt wird. Nur wenige Sektoren werden wahrscheinlich sterben, aber einige erfordern möglicherweise eine radikale Transformation, um zu überleben und Kapital anzuziehen. "

Längere Probleme

Ökonomen warnen seit langem davor, dass Zombies weniger produktiv sind, weniger Mittel für Sachkapital und immaterielles Kapital ausgeben und in Bezug auf Beschäftigung und Vermögen weniger wachsen als ihre Konkurrenz. Aber neue Analysen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zeigen, dass Zombies für eine Wirtschaft noch schädlicher sein können als bisher angenommen.

Unternehmen bleiben nicht nur länger als in den vergangenen Jahren in einem Zombie-Zustand, sondern von den rund 60 Prozent der Unternehmen, die es schaffen, den Zombie-Status endgültig zu verlassen, leiden viele dennoch unter einer anhaltenden Schwäche bezüglich Produktivität, Rentabilität und Wachstum, was langfristig zu einer Underperformance führt.

Darüber hinaus haben erholte Unternehmen eine dreimal häufigere Wahrscheinlichkeit, wieder zu Zombies zu werden als Unternehmen, die es noch nie waren. Dies geht aus der September-Studie hervor, die Unternehmen in 14 Industrieländern über drei Jahrzehnte untersuchte.

"Die Zombie-Krankheit scheint auch denjenigen, die sich davon erholen, langfristigen Schaden zuzufügen", schrieben die BIZ-Autoren Ryan Banerjee und Boris Hofmann in dem Bericht. Daher sollte "die Lebensfähigkeit eines Unternehmens ein wichtiges Kriterium für seine Eignung für Hilfen von der Regierung und der Zentralbank sein".

(Bloomberg/cash)