Fondsmanager nehmen vor allem Aktien von Unternehmen ins Visier, die in Sachen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (ESG) besonders gut abschneiden. Zu den grossen Favoriten könnten aber auch Aktien aus Sektoren wie Halbleiter, Autos und Infrastruktur zählen, die in Sachen Nachhaltigkeit bislang nicht als erste Wahl gelten.

Kurz vor dem Wahl-Showdown am 3. November liegt Biden landesweit zehn Punkte vor Amtsinhaber Donald Trump. Sollte es tatsächlich zu einem Wechsel im Weissen Haus kommen, dürfte sich vor allem beim Thema Klimapolitik etwas tun. Mit zwei Billionen Dollar will der Demokrat in den kommenden vier Jahren den Ausbau einer klimaschonenden Infrastruktur fördern - von alternativen Antriebsstoffen wie Elektromobilität bis hin zu "grünem", mit Hilfe von erneuerbaren Energien gewonnenem, Wasserstoff.

Auch die Solar- und Windenergie sollen gefördert werden. Bidens Ziel ist es, dass die USA bis spätestens 2050 klimaneutral werden. Trump hingegen hatte den Klimawandel als "Schwindel" bezeichnet und die Vereinigten Staaten 2017 aus dem Pariser Abkommen herausgezogen, das einen internationalen Ansatz zur Lösung des Problems vorsieht. Umwelt- und Klimaauflagen schaffte er unter anderem in der Ölindustrie ab.

Klassischer ESG-Sektor wäre nicht alleiniger Profiteur

Die Aussicht auf eine Biden-Regierung beflügelt bereits eine Reihe von Aktien und börsennotierte Fonds (ETFs), von Solar bis hin zu sauberer Energie. "Wenn es einen 'Blue Sweep' gibt und die Demokraten dadurch in die Lage versetzt werden, einen signifikanten fiskalischen Stimulus durchzusetzen, dann würde man erwarten, dass ein beträchtlicher Teil davon in ESG-freundliche Initiativen fliesst", sagt Chris Dyer, Direktor für Global Equity beim Vermögensverwalter Eaton Vance. "Doch einige der Aktien, die davon profitieren, sind möglicherweise keine traditionellen ESG-Aktien." Bei einem "Blue Sweep" oder einer "Blauen Welle" erobern die Demokraten, deren Parteifarbe blau ist, nicht nur das Weisse Haus, sondern auch beide Kammern des Kongresses.

Dyer hat in seinem Portfolio unter anderem den französischen Elektrogerätekonzern Schneider, der Produkte von elektrischen Autoladegeräten bis hin zu Hausautomatisierungssystemen vertreibt. "Wir suchen Unternehmen, die sich mit der Renovierung von Gebäuden und Neubauten befassen, die besonders auf Energieeffizienz ausgerichtet sind", sagt er. Schneider sei gegenüber der offensichtlichen Wahl vieler ESG-Fondsmanager interessant, weil die Aktien im Vergleich deutlich weniger stark gestiegen seien.

Biden-Pläne könnten viele Bereiche wiederbeleben

Insgesamt flossen ESG-Fonds im zweiten Quartal diesen Jahres netto fast 21 Milliarden Dollar zu, was knapp unter dem Jahresrekord von 21,4 Milliarden Dollar an Zuflüssen lag, der laut Daten des Analyseunternehmens Morningstar im vergangenen Jahr erzielt wurde. Eine Biden-Administration würde den Run verstärken und die Aktienkurse von Unternehmen, die bei ESG-Fonds beliebt sind, in die Höhe treiben, prognostiziert Cheryl Smith, Portfoliomanagerin beim Vermögensverwalter Trillium.

Mit ihren Geldern habe sie Positionen in der Halbleiter- und Automobilbranche aufgebaut, die von einem Vorstoss in Richtung Elektrofahrzeuge profitieren würden. "Der Bereich der sauberen Energie ist ein offensichtlicher Bereich, in dem der Markt bereits eine Veränderung in Washington einpreist, aber es gibt immer noch viel zu gewinnen im gesamten Automobilsegment und in der Industrieausrüstung", sagt Smith. Beispielsweise kletterte der Global X Autonomous and Electric Vehicles ETF mit einem Volumen von 58 Millionen Dollar im vergangenen Monat nur um 5,7 Prozent, während ESG-Fonds mit den Themen Solar und saubere Energien bis zu 20 Prozent zulegten.

Ein durchschlagender Sieg der Demokraten wäre zwar vor allem ein Sieg für ESG-Aktien, aber nicht unbedingt ein Todesstoss für Titel aus den Bereichen fossile Brennstoffe und kohlenstoffintensive Unternehmen. Investment-Experte Christopher Marangi vom Vermögensverwalter Gabelli Value Teams erhofft sich vor allem Schub von einem grossen Konjunkturpaket. Das könne schliesslich einer ganzen Reihe an Sektoren wieder auf die Beine helfen, wenn sich die Wirtschaft erhole und die Nachfrage wieder anziehe.

(Reuters)