Er rief den Westen erneut auf, der Ukraine mehr Waffen zu liefern und ein vollständiges Embargo auf Energielieferungen aus Russland zu verhängen. Die Gewaltanwendung Russlands sei eine Katastrophe, die unweigerlich alle treffen werde, sagte Selenskyj in einer in der Nacht zu Sonntag veröffentlichten Video-Botschaft. "Russlands Aggression sollte nie nur auf die Ukraine beschränkt sein (...), das gesamte europäische Projekt ist ein Ziel für Russland."

Russland könne es sich noch immer leisten, in Illusionen zu leben und immer mehr Soldaten und Ausrüstung in die Ukraine zu schaffen, sagte Selenskyj weiter. "Und das heißt, wir brauchen noch mehr Sanktionen und noch mehr Waffen für unseren Staat."

Einem Bericht der "Bild am Sonntag" zufolge will die Ukraine beim Rüstungskonzern Rheinmetall Schützenpanzer des Typs Marder kaufen. Bis Jahresende wolle der Konzern 35 dieser Fahrzeuge an die Ukraine ausliefern. Die ausgemusterten Panzer müssen zunächst instandgesetzt werden. Von Rheinmetall und der ukrainischen Regierung waren zunächst keine Stellungnahmen zu erhalten. Die Ukraine hatte Deutschland aufgefordert, unter anderem Marder-Schützenpanzer aus Bundeswehrbeständen zu liefern und diese anschließend von der Industrie wieder auffüllen zu lassen. Dies hatte die Bundesregierung unter Verweis auf eigenen Bedarf abgelehnt.

Zehntausende Menschen sind eingeschlossen

Seit Beginn der Invasion am 24. Februar ist es den russischen Truppen nicht gelungen, eine größere Stadt einzunehmen. Aus der Nähe der Hauptstadt Kiew sind die Streitkräfte abgezogen und formieren sich im Osten der Ukraine neu. Dort wird eine russische Offensive im Donbass erwartet, der zum Teil seit Jahren unter Kontrolle pro-russischer Separatisten ist. Einige Städte - wie die Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer - liegen seit längerem unter schwerem Beschuss. Zehntausende Menschen sind eingeschlossen und können nicht in Sicherheit gebracht werden.

Die russische Regierung, die von einem militärischen Sondereinsatz in der Ukraine zu deren Entmilitarisierung und Entnazifizierung spricht, hat Angriffe auf Zivilisten wiederholt bestritten. Die Ukraine und westliche Staaten bezeichnen die russische Invasion als nicht provozierten Angriffskrieg.

"Das wird ein harter Kampf, wir glauben an diesen Kampf und unseren Sieg", sagte Selenskyj mit Blick auf die erwartete Offensive im Osten. "Wir sind bereit, gleichzeitig zu kämpfen und nach diplomatischen Wegen zu suchen, um diesen Krieg zu beenden." Der ukrainische Unterhändler bei den Gesprächen mit Russland über einen Waffenstillstand, Mychailo Podoljak, sagte, Selenskyj und der russische Präsident Wladimir Putin würden sich erst treffen, nachdem Russland im Osten besiegt worden sei.

Wegen möglicher künftiger Aggressionen Russlands arbeitet die Nato nach Angaben ihres Generalsekretärs Jens Stoltenberg an Plänen für eine ständige Militärpräsenz an ihren Grenzen. "Was wir jetzt sehen, ist eine neue Realität, eine neue Normalität für die europäische Sicherheit", sagte er der Zeitung "The Telegraph". Daher habe die Nato ihre Militärkommandeure gebeten, Optionen für eine längerfristige Anpassung des Bündnisses zu erarbeiten. Die Nato befinde sich inmitten einer grundlegenden Umgestaltung, die die langfristigen Folgen von Putins Vorgehen widerspiegele. 

(Reuters)