"Wir kommen in eine neue, lange Phase des Krieges", erklärte Verteidigungsminister Olexii Resnikow auf Facebook. Dem Land stünden "extrem harte Wochen" bevor, in denen es einem "erzürnten Aggressor" weitgehend allein gegenüber stehe. Die Ukraine meldete am Samstag russische Angriffe unter anderem auf das Asowstal-Werk in Mariupol und die Schlangeninsel im Schwarzen Meer. Bundeskanzler Olaf Scholz sieht nach seinem jüngsten Telefonat mit Wladimir Putin keinen Sinneswandel beim russischen Präsidenten. Die Zahl der Ukraine-Flüchtlinge in Deutschland geht laut der Bundesregierung langsam zurück.

Bundeskanzler Scholz sagte in einem Interview des Nachrichtenportals "t-online", Russland habe sich in eine "dramatische Lage" manövriert und keines seiner zu Beginn genannten Kriegsziele erreicht. "Das russische Militär selbst hat erhebliche Verluste erlitten, weit mehr als in den zehn Jahren des Afghanistan-Feldzugs der Sowjetunion. Langsam sollte Putin klarwerden, dass ein Ausweg aus dieser Situation nur über eine Verständigung mit der Ukraine führt."

Über die Zahl der in der Ukraine getöteten russischen Soldaten gibt es keine verlässlichen Informationen. Jüngste Aufnahmen von Reuters-TV am Stadtrand von Kiew werfen aber ein Schlaglicht auf die Verluste: Auf einem Bahnhofsgelände wurden dort Hunderte Leichen russischer Soldaten in gekühlte Zugwaggons geladen. Darin sollen sie aufbewahrt werden, bis sie nach Russland zu ihren Angehörigen gebracht werden können, sagte der zivil-militärische Chef-Verbindungsoffizier Wolodomyr Ljamsin. Die meisten Leichen seien aus dem Grossraum Kiew, einige aus Tschernihiw und anderen Regionen. Auch in anderen Gebieten der Ukraine gebe es solche Waggons, sagte Ljamsin.

London: Pro-russische Cherson-Behörden wollen Annexion

Russische Truppen waren am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Die Regierung in Moskau bezeichnet ihr Vorgehen als Spezialoperation und hatte das Ziel ausgegeben, militärische Kapazitäten im Nachbarland zu zerstören sowie gegen als gefährlich eingestufte Nationalisten vorzugehen. Russland weist Vorwürfe zurück, zivile Ziele anzugreifen. Inzwischen haben russische Truppen unter anderem ein strategisch wichtiges Gebiet eingenommen, das die 2014 annektierte Krim-Halbinsel mit den von Russland unterstützten Separatistengebieten Donezk und Luhansk in der Ostukraine verbindet.

Die in dem besetzten Gebiet liegende Region Cherson will dem britischen Verteidigungsministerium zufolge um ihre Eingliederung in Russland bitten. Das Londoner Ministerium verwies in einer Twitter-Mitteilung auf entsprechende Äusserungen der pro-russischen Behörden in Cherson und äusserte zugleich Zweifel an einer möglichen Volksabstimmung zu solchen Plänen. Sollte Russland ein Beitrittsreferendum in Cherson abhalten lassen, werde dieses mit nahezu an Sicherheit grenzender Sicherheit manipuliert, erklärte das Verteidigungsministerium.

Die Nachrichtenagentur RIA meldete unterdessen den Besuch einer hochrangigen Duma-Politikerin in der Region Cherson. Die stellvertretende Vorsitzende des russischen Unterhauses, Anna Kusnezowa, habe der Bevölkerung Unterstützung bei der Beschaffung von Lebensmitteln und Medikamenten zugesichert, berichtete RIA. Wann der Besuch stattgefunden haben soll, blieb offen. Bisher hat es nur selten bestätigte Berichte über Visiten hochrangiger russischer Politiker in den Kampfgebieten gegeben.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der "Rheinischen Post" laut Vorabbericht: "Es bleibt eine grosse humanitäre Kraftanstrengung, die geflüchteten Frauen, Kinder und alten Menschen bestmöglich zu versorgen. Aber pro Tag kommen derzeit nur noch ungefähr 2000 Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland an. Mitte März waren es noch 15'000 Menschen täglich." Sie gehe davon aus, dass die Mehrheit wieder in die Ukraine zurückkehren wird. Über die polnisch-ukrainische Grenze täten dies inzwischen täglich 20'000 Geflüchtete. 

(Reuters)