"Wir schätzen die Lage aktuell so ein, dass der Konflikt keine flächendeckende Gefahr für den Schweizer Finanzmarkt darstellt", sagte Finma-Direktor Urban Angehrn am Dienstag an der Jahresmedienkonferenz. Der Ukraine-Krieg bringe aber vielfältige und für einzelne Institute akzentuierte Risiken mit sich.
Das Russland-Geschäft der hiesigen Finanzinstitute sei insgesamt zwar nicht unbedeutend, jedoch eher klein im Vergleich mit anderen Märkten und im Vergleich zur Kapitalisierung insgesamt. Die verwalteten Vermögen entsprächen einem Anteil der Gesamtvermögen im tiefen einstelligen Prozentbereich, sagte Angehrn.
Wenige Banken stärker exponiert
Die Finanzmarktaufsicht blicke vor allem auf die Risiken, das heisst auf mögliche negative Szenarien. "In der gegenwärtigen Krise interessiert uns zunächst, welche Institute mit welchen Dienstleistungen und in welchem Ausmass exponiert sind." Ziel sei es, frühzeitig Klumpenrisiken und allfälliges Ansteckungspotenzial zu erkennen.
Die Schweizer Aufsichtsbehörde sei über das direkte Geschäft der beaufsichtigten Banken und Versicherungen mit oder in den betroffenen Staaten informiert. Und einige Finanzinstitute seien tatsächlich stärker exponiert, jedoch bestehe gegenwärtig keine systembedrohende Lage, sagte Angehrn. Man stehe im engen Kontakt mit den Instituten und besonders mit den am meisten betroffenen.
Die Häuser, die stärker betroffen sind, seien einige wenige. Der Finma-Direktor wollte aber keine Namen nennen. Die Grossbanken UBS und Credit Suisse sowie die Raiffeisen-Gruppe, die Zürcher Kantonalbank und die Postfinance seien wegen ihrer Systemrelevanz im Speziellen angeschaut worden, versicherte er auf eine entsprechende Frage.
Komplexe Sanktionen
Die finanziellen Risiken seien etwa ausstehende Kredite gegenüber russischen Schuldnern oder Anlagen in russischen Wertschriften. Weiter könne das Lombardkredit- oder Derivate-Geschäft mit russischen Basiswerten oder mit potenziell sanktionierten russischen Gegenparteien problematisch sein. Es bestehe die Gefahr, dass man nicht aus diesen Transaktionen aussteigen kann.
Rechtliche Risiken würden ausserdem die Sanktionen bergen. Das korrekte Einhalten erfordere eine hohe Sorgfalt, und es gebe bei den Banken auch mitunter Unklarheiten, sagte der Direktor. Die Finma habe aber keine Hinweise, dass Sanktionen nicht eingehalten würden.
Und das Thema sei für die Banken auch nicht neu. Seit den 90er-Jahren gebe es Sanktionen, die auch Schweizer Banken beträfen, sagte Angehrn. "Die Konzepte sind da." Aber der Umfang an Sanktionen und betroffenen Personen und die Komplexität hätten stark zugenommen.
Keine systematischen Cyberangriffe
Ausserdem müssen auch die Schweizer Banken im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt mit zunehmenden Cyberangriffen rechnen. Die Finma habe bisher jedoch keine Anzeichen, dass es breitgestreute oder systematische Angriffe gibt. "Die Institute müssen aber sehr wachsam sein, denn die Lage kann sich schon morgen verschärfen." Allfällige Vorkommnisse müssen sie der Behörde melden.
Im vergangenen Jahr hatte die Finma derweil die Geldwäschereibekämpfung und Mängel in der Corporate Governance und im Risikomanagement im Fokus. Zur Durchsetzung des Finanzmarktrechts gab es 650 Abklärungen nach 628 im Vorjahr und 20 Enforcementverfahren nach 33 solchen 2020.
(AWP)