Vor 19 Monaten sorgte die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit der Auflösung des Mindestkurses zum Euro auf einen Schlag für einen massiv stärkeren Franken. Dieser Schock bekam in der Folge auch die Schweizer Wirtschaft zu spüren. Zwar blieb die befürchtete Rezession aus, doch kam es zu einer deutlichen Wachstumsverlangsamung: Während die Schweizer Wirtschaft 2014 1,9 Prozent zulegte, waren es 2015 noch 0,8 Prozent.

Gleichzeitig gewinnt nun die Eurozone an Dynamik: Für dieses Jahr geht die UBS von einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent in der Eurozone aus, die Schweiz soll in diesem Jahr nur 0,9 Prozent wachsen. "Es hat nach dem Frankenschock quasi eine Übergabe des Wachstumsstabes von der Schweiz nach Europa stattgefunden", kommentiert Daniel Kalt, Chefökonom der UBS Schweiz, im cash-Talk die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung. Euro-Länder würden aufgrund der Euro-Schwäche an Dynamik gewinnen, während die Schweiz vom Wachstumstempo her der Eurozone um ein halbes Prozent hinterher hinke.

Pharma überstrahlt alles

Wo harzt es in der Schweiz? Es liegt nicht primär am Konsum. Diesen sieht Kalt in der Schweiz in diesem Jahr um knapp 1 Prozent wachsen. Zurückhaltend seien allerdings die Schweizer Firmen bei Investitionsprojekten. Eine Stagnation erwartet der UBS-Ökonom bei den Bauinvestitionen.

Bricht man die Entwicklung in der Schweizer Wirtschaft auf einzelne Industrie herunter, so sticht vor allem eine Industrie deutlich heraus: Die Pharma-Branche. Wie folgende Grafik verdeutlicht, gewann die Pharma-Industrie seit 2000 in der Schweiz massiv an Bedeutung:

Im Jahr 2000 machten Pharma-Exporte ins Ausland ungefähr 5 Prozent der Schweizer Wirtschaftsleistung aus, im aktuellen Jahr sind es nun bereits 12 Prozent. Gleichzeitig haben praktisch alle anderen Branchen in den letzten 15 Jahren ihre Exporte entweder knapp halten können oder an Anteilen eingebüsst. Die Schweiz, ein Pharma-Land.

Doch weshalb ist das so? "Pharma ist eine Ausnahmeerscheinung", so Kalt. In dieser Branche sei die Wertschöpfung hoch und es werde viel Forschung und Entwicklung betrieben. Und genau dies sei die Stärke der Schweizer Wirtschaft, genau hier könne sie ihre Vorteile ausspielen und somit an Marktanteilen gewinnen. Am ehesten sei die Schweiz noch – hinter der Pharma – in der Uhrenindustrie gut unterwegs. Allerdings waren die Uhrenexporte in den letzten Monaten rückläufig, die Aktienkurse der SMI-Uhren-Aktien Richemont und Swatch sind vor allem wegen der Nachfrageschwäche aus China in den Keller gerauscht.

«Der Brexit ist gegessen»

Der Franken, welcher aufgrund seiner Stärke für Schweizer Exporteure wie ein Klotz am Bein wirkt, konnte sich in den letzten Wochen auf einem Level von ungefähr 1,09 zum Euro festsetzen. Was sicherlich auch ein Verdienst der SNB war: "Rund um den Brexit hat die SNB ein bis zwei Wochen lang in der Höhe von fünf bis sechs Milliarden am Devisenmarkt interveniert, um den Franken zu stabilisieren", sagt Kalt dazu. Aber in den letzten drei Wochen seien die Investitionsvolumen wieder deutlich zurückgegangen.

"Der Brexit war nach einer Woche gegessen", so Kalt. Er spricht damit die schnelle Erholung an den Aktien- und Devisenmärkten an, welche durch den EU-Austrittsentscheid der Briten nicht zu sehr aus dem Konzept gerieten. Vielmehr seien derzeit andere Kräfte am Werk: Die Weltwirtschaft gewinne an Dynamik. Schwellenländer wie Russland und Brasilien würden langsam den Weg aus der Rezession finden, während die US-Wirtschaft weiterhin starke Zahlen liefert. All dies habe die Brexit-Sorgen in den Hintergrund gerückt, ist Kalt überzeugt.

Eine Entwicklung, die sicherlich auch SNB-Präsident Thomas Jordan mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen wird. Denn: Erholt sich die Weltwirtschaft, muss der Franken auch nicht mehr als sicherer Hafen herhalten. Die Nationalbank muss so keine massiven Interventionen im Devisenmarkt tätigen, da keine zu starke Frankenaufwertung mehr droht. Über die nächsten sechs bis neun Monate sieht Kalt den Franken-Euro-Kurs sogar in Richtung 1,10 gehen.

Das macht auch eine Ausweitung der Negativzinsen von -0,75 Prozent auf -1,00 Prozent unwahrscheinlicher: "Erst wenn die SNB-Interventionen über mehrere Wochen 10 bis 15 Milliarden Franken übersteigen würden, könnte das zweite Mittel eine Zinssenkung sein. Aber solange die SNB nicht wieder massiv interveniert, glaube ich nicht, dass sie zu einer weiteren Zinssenkung greifen würde."

Ausserdem sagt Daniel Kalt im cash-Talk, welches derzeit Europas grösstes Sorgenkind ist und mit welchen hausgemachten politischen Problemen sich die Schweiz in naher Zukunft rumschlagen muss.