Wenn am Montag in mehreren Nachfolgestaaten der Sowjetunion der Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg begangen wird, dürfte der russische Präsident Wladimir Putin bei der traditionellen Militärparade in Moskau der Welt das russische Arsenal an Massenvernichtungswaffen demonstrieren.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums werden im Vorbeiflug über der Basilius-Kathedrale am Roten Platz Überschall-Jagdflugzeuge, strategische Bomber vom Typ Tu-160 und - zum ersten Mal seit 2010 - das Kommandoflugzeug Il-80 zu sehen sein, das im Falle eines Atomkriegs die russische Führungsspitze befördern würde.

Selenskyj lädt Scholz ein

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lud Kanzler Olaf Scholz wegen der besonderen Symbolik des Tages für den 9. Mai nach Kiew ein. Die Bundesregierung wollte dies nicht kommentieren, verwies aber auf eine geplante Reise von Aussenministerin Annalena Baerbock. Beide Regierungen hatten gerade einen Streit über einen Besuch von Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Kiew als beigelegt erklärt.

Eine Reise des Kanzlers bereits am Montag gilt als unrealistisch. Scholz wird am Montagabend in Berlin den wiedergewählten französischen Präsidenten Emmanuel Macron empfangen. Der ukrainische Präsident hatte erst am Donnerstag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier telefoniert und dabei Steinmeier, Scholz und die ganze Regierung nach Kiew eingeladen.

Evakuierungsversuche in Mariupol

Unterdessen gab es in der von Russland fast völlig zerstörten ostukrainischen Stadt Mariupol am Freitag neue Versuche, Zivilisten aus dem von russischen Truppen belagerten Asowstal-Werk zu evakuieren. "Die nächste Phase der Rettung unserer Leute aus Asowstal ist im Moment im Gange", sagte Andrij Jermak, Leiter des ukrainischen Präsidialstabs am Freitag.

Zuvor hatte es Berichte über neue russische Angriffe auf das Werk gegeben, wo sich rund 200 Zivilisten und eine unbekannte Anzahl ukrainischer Soldaten aufhalten sollen. Die von den Vereinten Nationen vermittelte Evakuierung einiger der Zivilisten, die in den Tunneln und Bunkern des Werks Zuflucht gesucht hatten, hatte am vergangenen Wochenende begonnen, wurde jedoch in den letzten Tagen immer wieder durch Kämpfe unterbrochen.

Der ukrainische Präsident teilte mit, dass russische Truppen seit Beginn ihrer Invasion hunderte Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen verwüstet hätten. In den Hauptkampfgebieten in der Ost- und Südukraine fehle es vielerorts zudem an grundlegenden Antibiotika, führte Selenskyj aus. Der russische Beschuss vor allem im Osten der Ukraine wurde fortgesetzt.

Der Gouverneur der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, erklärte, bei dem heftigen Beschuss in der Stadt Kramatorsk seien 25 Menschen verletzt worden. Insgesamt seien 32 Wohngebäude beschädigt worden. Russland bombardierte nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen gezielt Eisenbahnstrecken in der Ukraine - auch um den Nachschub mit vom Westen gelieferten Waffen zu erschweren. Reuters konnte die Berichte Russlands und der Ukraine über die Kampfhandlungen nicht sofort überprüfen.

Russische Truppen waren am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Inzwischen haben die russischen Bombardierungen mehrere Städte verwüstet. Tausende Zivilisten starben, Millionen sind auf der Flucht. Die Regierung in Moskau bezeichnet die Invasion der Ukraine als "militärische Spezialoperation" zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung des Nachbarlandes. Westliche Staaten sprechen dagegen von einem Angriffskrieg und Verbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung.

«Grösste Katastrophe unserer Zeit»

Kanzler Scholz äusserte bei einer Rede in Hamburg scharfe Kritik an Putin und warf diesem einen Bruch mit den Werten der Zivilisation vor. Russland sei mutwillig aus der Weltgemeinschaft ausgestiegen, sagte Scholz. "Putin darf diesen verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht gewinnen - und er wird diesen Krieg auch nicht gewinnen." Sollte sich Russland aber durchsetzen, drohe "internationale Regellosigkeit".

Der Kanzler warf Putin Irrationalität vor, weil sein Hass auf eine freiheitliche Ukraine grösser sei als sein Interesse an der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Russlands. "Russlands Aggression gegen die Ukraine ist die grösste Katastrophe unserer Zeit", fügte er hinzu.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht kündigte bei einem Besuch in der Slowakei am Freitag an, dass Deutschland sieben Panzerhaubitzen an die Ukraine liefern werde. Zudem solle die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland in der kommenden Woche beginnen. 

(Reuters)