Der Vize-Kommandeur des zentralen Militärbezirks, General Rustam Minnekajew, sprach laut mehreren russischen Nachrichtenagenturen davon, die gesamte Donbass-Region im Osten wie auch den Süden des Landes bis hin zu Transnistrien einzunehmen, ein von prorussischen Separatisten kontrollierter Teil Moldaus.
Das ukrainische Verteidigungsministerium erklärte dazu, Russland versuche nicht mehr seine wahren Ziele zu verstecken. Bundeskanzler Olaf Scholz sicherte die Lieferung weiterer Waffen und von Munition an die Ukraine zu, allerdings mit Einschränkungen. In der Ampel-Koalition zeigten sich weiter Spannungen über Art der Hilfen für die Ukraine.
Die von Minnekajew beschriebenen Eroberungen würden ein Vorrücken der Armee auf einer breiten Front Hunderte Kilometer tief ins Land bedeuten. Das Gebiet würde auch die grösseren Städte Odessa und Mykolaiw umfassen. "Sie verstecken es nicht mehr", schrieb das ukrainische Verteidigungsministerium dazu auf Twitter.
They stopped hiding it. Today, the command of russian looters, rapists and murderers acknowledged that the goal of the “second phase” of the war is not victory over the mythical Nazis, but simply the occupation of eastern and southern Ukraine. Imperialism as it is.
— Defence of Ukraine (@DefenceU) April 22, 2022
Die russische Militärführung habe zugegeben, "dass das Ziel der 'zweiten Phase' des Krieges nicht der Sieg über die sagenumwobenen Nazis ist, sondern einfach die Besetzung der Ost- und Süd-Ukraine." Dies sei Imperialismus. Russland spricht nicht von einem Krieg in der Ukraine, sondern von einem Sondereinsatz des Militärs, um das Land zu entmilitarisieren und entnazifizieren.
UN: Immer mehr Belege für russische Kriegsverbrechen
Dem britischen Militärgeheimdienst zufolge fanden schwere Kämpfe im Osten der Ukraine statt. Die russischen Streitkräfte versuchten zwar vorzurücken. Allerdings setzten ihnen die Verluste zu, die sie in der Anfangsphase des Krieges erlitten hätten. Kriegsgerät werde zur Reparatur nach Russland zurückgeschickt.
Nach ukrainischen Angaben verstärkten die russischen Truppen ihre Angriffe im Osten entlang der gesamten Front. Sie versuchten dem ukrainischen Generalstab zufolge, eine Offensive in der Region Charkiw zu starten. Die militärische Lage liess sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen.
Unklar blieb, ob die Stadt Mariupol im Süden des Landes komplett in russischer Hand war wie von Präsident Wladimir Putin beansprucht. Die USA haben dies zurückgewiesen und erklärt, die ukrainischen Kräfte leisteten weiter Widerstand. Nach Angaben des aus der Stadt geflohenen Bürgermeisters Wadym Bojtschenko waren noch etwa 100'000 Menschen eingeschlossen.
Ursprünglich wohnten in Mariupol etwa 400'000 Menschen. Die Regierung in Moskau hat erklärt, 140'000 Bewohner seien nach Russland gebracht worden. Nach ukrainischer Darstellung wurden dabei viele von ihnen deportiert, was ein Kriegsverbrechen wäre.
Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte erklärte in Genf, es gäbe zunehmend Belege für russische Kriegsverbrechen, darunter standrechtliche Erschiessungen. Auch die Ukraine habe offenbar wahllos Waffen eingesetzt. Russland hat erklärt, die mutmasslichen Verbrechen ihrer Soldaten seien Fälschungen, Zivilisten würden nicht ins Visier genommen.
Streit in der Ampel-Koalition über schwere Waffen
Der deutsche Bundeskanzler Scholz sagte in einem "Spiegel"-Interview zu Lieferungen von Militärgut an die Ukraine, die Möglichkeiten der Bundeswehr seien weitgehend erschöpft. "Was noch verfügbar gemacht werden kann, liefern wir aber auf jeden Fall noch", sagte er. Der Ukraine helfe jedoch nur Gerät, das ohne langwierige Ausbildung eingesetzt werden könne. "Das geht am schnellsten mit Waffen aus ehemaligen sowjetischen Beständen, mit denen die Ukrainer gut vertraut sind."
Strittig blieb in der Ampel-Koalition, ob Deutschland schwere Waffen liefern soll. Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses, Anton Hofreiter von den Grünen, sprach sich erneut dafür aus.. Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag Christian Dürr sagte dem "Spiegel" ebenfalls: "Wenn die Ukraine bestimmte schwere Waffen braucht und wir diese verantwortbar liefern können, dann sollten wir das tun."
Für Unmut bei der SPD sorgte die Einladung von Dürrs Parteikollegin Agnes Strack-Zimmermann an Scholz in den von ihr geleiteten Verteidigungsausschuss. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wolfgang Hellmich, erklärte, "dieses eigenmächtige Vorgehen" sei völlig unangebracht, der Sache nicht angemessen und inakzeptabel: "Es stellt sich die Frage, ob hier die gebotene politische Neutralität zugunsten persönlicher Profilierung aufgegeben wird."
(Reuters)