Für November erwartet die deutsche Zentralbank eine Teuerungsrate von knapp sechs Prozent. Ab Januar dürfte der Preisdruck zwar spürbar zurückgehen, doch drohten noch für längere Zeit Inflationsraten von deutlich über drei Prozent. Zudem erwartet die deutsche Zentralbank in ihrem am Montag vorgelegten Monatsbericht, dass der Wirtschaft zum Jahresende die Puste ausgeht. "Aus heutiger Sicht könnte das Bruttoinlandsprodukt im Herbstquartal 2021 in etwa auf der Stelle treten."

Der vom Dienstleistungssektor ausgehende Wachstumsschub sei wohl zunächst weitgehend ausgelaufen. Zugleich dürfte die Industrie das Wachstum bremsen. "Zwar ist die Nachfrage nach industriellen Produkten nach wie vor hoch. Die Lieferprobleme in der Industrie dürften aber weiter belasten."

Der Lobbyverband BDI äussert auch mit Blick auf die Corona-Pandemie Besorgnis: "Die jüngste Entwicklung des internationalen Infektionsgeschehens erhöht die Risiken für die Industrieproduktion in diesem Winter massiv", erklärte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Die Lieferengpässe behinderten die Industrieproduktion in Deutschland erheblich. Bei stagnierendem Ausstoss im vierten Quartal dürfte die Industrieproduktion im laufenden Jahr zwar um vier Prozent steigen. Das Vorkrisenniveau vom Jahr 2019 würde damit aber um sieben Prozent unterschritten.

«Fachkräftemangel ist zurück»

Die deutsche Wirtschaft leidet zudem unter verschärftem Fachkräftemangel. Sie meldet mittlerweile mehr Personal-Engpässe als vor der Krise, wie aus einem Bericht des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hervorgeht. Demnach können mehr als die Hälfte der Unternehmen derzeit offene Stellen zumindest vorübergehend nicht besetzen. "Der Fachkräftemangel in den Betrieben ist zurück: schneller und in grösserem Umfang als von vielen erwartet", sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Er beziffert den dadurch entstehenden Wertschöpfungsverlust auf 90 Milliarden Euro oder rund 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Der deutliche Anstieg der Strom- und Gaspreise macht zudem weiten Teilen der deutschen Wirtschaft stark zu schaffen: In einer DIHK-Umfrage nannten drei Viertel der Unternehmen diesen Faktor als Belastung für ihr laufendes Geschäft. Knapp die Hälfte der rund 600 Betriebe aus allen Branchen, die sich an der Erhebung beteiligten, befürchtet aufgrund der hohen Strom- und Gaspreise den Verlust der eigenen Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland.

Steigende Öl- und Spritpreise hatten die Teuerungsrate im Oktober bereits auf 4,5 Prozent klettern lassen und damit den höchsten Stand seit 28 Jahren. Preistreibend wirken etwa statistische Sondereffekte rund um die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung im Corona-Jahr 2020. Die Bundesbank verweist darauf, dass dieser sogenannte Basiseffekt im Januar entfällt.

Der scheidende Bundesbankchef Jens Weidmann hat die EZB dennoch vor einer zu langen Festlegung auf einen sehr lockeren geldpolitischen Kurs gewarnt. Steigende Inflationserwartungen und Lohnerhöhungen könnten mittelfristig zu weiterem Preisauftrieb führen. Im Bundesbank-Monatsbericht heisst es dazu, die Erholung der Wirtschaft habe sich im Sommer in höheren Neuabschlüssen als im Vorjahr widergespiegelt. Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen deuteten auch für demnächst zu erneuernde Tarifverträge auf stärkere Lohnsteigerungen hin.

(Reuters)