Mit der neuen politischen Gemeinschaft könne man angesichts der geopolitischen Lage Länder zusammenführen, die keinen EU-Beitritt schafften oder ihn nicht wollten, sagte Macron am Montag in Berlin bei seinem Antrittsbesuch für seine zweite Amtszeit. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Idee als "sehr interessant". Allerdings zeigten sich beim Treffen der beiden sofort Differenzen.

Macron hatte seinen Vorstoss zuerst im Europaparlament in Strassburg gemacht. Dort hatte er beim Abschluss der "Konferenz für Europa" geredet, weil Frankreich derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hat. Die Idee erinnert an die privilegierte Partnerschaft, die die Union der Türkei lange als Ersatz für eine EU-Vollmitgliedschaft anbieten wollte. Gerade in Frankreich gibt es Zweifel an einer immer weitergehenden Erweiterung der EU. Wie seine Vorgänger plädierte auch Marcon stattdessen innerhalb der EU für eine engere Zusammenarbeit und schlug am Montag Vertragsänderungen und Mehrheitsentscheidungen auch in der Fiskal- und Verteidigungspolitik vor.

Trotz der freundlichen Reaktion des Kanzlers dürfte das Thema einer neuen politischen Union zu neuen Konflikten führen. Die Ukraine pocht auf eine volle Mitgliedschaft in EU und Nato. Scholz wiederum mahnte in der gemeinsamen Pressekonferenz ausdrücklich, dass die Idee nicht dazu führen dürfe, dass man den sechs Ländern des westlichen Balkans, die eine EU-Beitrittsperspektive hätten, nun die Aufnahme verweigere. Wegen des russischen und auch chinesischen Einflusses in der Region hatte Scholz erst vergangene Woche dafür plädiert, die sechs Staaten Serbien, Albanien, Nordmazedonien, Montenegro, Kosovo und Bosnien-Herzegowina so schnell wie möglich in die EU aufzunehmen.

Kanzler und Präsident betonten aber übereinstimmend, dass die Zusammenarbeit mit den sechs Westbalkan-Staaten sehr wichtig sei. Macron will dazu noch in der Ende Juni endenden französischen EU-Ratspräsidentschaft einen Westbalkan-Gipfel einberufen. Scholz hatte angekündigt, den von seiner Vorgängerin Angela Merkel begonnenen "Berliner Prozess" zur Bildung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums in Südosteuropa zu forcieren.

Zweifel an EU-Vertragsänderungen

Zu den Forderungen Macrons nach Vertragsänderungen in der EU sagte Scholz, Deutschland werde dabei nicht auf der Bremse stehen. Allerdings lasse sich eine effizientere EU auch unterhalb der Ebene von Änderungen der EU-Verträge erreichen. Dazu gehöre auch die Abschaffung der Einstimmigkeit in vielen Politikbereichen. Scholz hatte sich schon kurz nach seinem Amtsantritt gegen entsprechende französischen Forderungen gewandt, weil Vertragsänderungen in der EU oft Jahre brauche. Etliche EU-Staaten wie etwa Dänemark sprachen sich am Montag bereits offen dagegen aus. Nötig ist nicht nur die Zustimmung der 27 EU-Staaten, sondern in vielen Ländern auch noch eine Ratifizierung durch die Parlamente.

Macrons Vorstoss erinnert an die Sorbonne-Rede zu Beginn seiner ersten Amtszeit. Damals hatte er sehr weitgehende Vorschläge gemacht, die in der EU auf breiten Widerstand stiessen. Der damaligen Bundesregierung war vorgeworfen worden, sie habe zu zögerlich auf die Ideen Macrons reagiert.

Beide Politiker bekannten sich zu einer intensiveren deutsch-französischen Zusammenarbeit. Nach der Wiederwahl Macrons stehen nun drei Jahre lang in beiden Ländern keine Wahlen auf nationaler Ebene an, wenn man von den französischen Parlamentswahlen im Juni absieht. Im Juli soll dann ein deutsch-französischer Ministerrat stattfinden, der neue Felder der Zusammenarbeit definiert. Macron zählte dazu etwa die Verteidigungs- und Forschungspolitik, aber auch eine gemeinsame Haltung gegenüber China.

Macron verteidigte seine Idee einer neuen politischen Gemeinschaft. Dies habe den Vorteil, dass Länder wie die Ukraine, die erkennbar über Jahre nicht beitreten könnten, nicht verzweifelten. Man müsse daher eine neue politische Gemeinschaft aufbauen mit denen, die die gemeinsamen Grundwerte teilten. Man könne auch in der Verteidigungspolitik zusammenarbeiten, ohne dass dies dann gleich innerhalb der Nato sei.

(Reuters)