Voraussetzung dafür sei, dass sich das Virus im gleichen Tempo weiterverbreitet wie bisher. Zudem sind für Neher tägliche Fallzahlen von 30'000 "denkbar", wie er der "SonnagsZeitung" sagte. Neher bestätigte auch, dass gemäss ersten Daten aus Grossbritannien und Südafrika die Omikron-Variante "etwas milder" sei. Er gab jedoch zu bedenken, dass die Zahl der Hospitalisierungen trotzdem nicht unerheblich sei. "Die Fallzahlen steigen sehr schnell, und wir haben nicht mehr viel Spielraum in den Spitälern."

Trotzdem gibt es für Neher Grund zur Hoffnung. Bereits Ende Januar könnte das Gröbste der Omikron-Welle vorüber sein. "Das Virus wird zwar nicht verschwinden und uns sicher auch im nächsten Winter beschäftigen. Aber nicht in dem Ausmass, dass es erneut zu einer Krise kommen wird."

Grösste Sorge sind Ausfälle in den Spitälern

Der Vizepräsident der wissenschaftlichen Corona-Taskforce des Bundes, Urs Karrer, hat in einem Interview mit der "NZZ am Sonntag" davor gewarnt, die Omikron-Virusvariante zu unterschätzen. "Im Moment gehen wir davon aus, dass Omikron zwar milder ist als Delta, aber ähnlich pathogen wie jene Variante, die vor gut einem Jahr knapp 10'000 Schweizerinnen und Schweizer das Leben gekostet hat."

Die grösste Sorge sei aktuell, dass im Januar und Februar sehr viele Covid-19-Patientinnen und -Patienten behandelt werden müssten und dass gleichzeitig sehr viel Personal fehlen werde, das selber krank, in Isolation oder in Quarantäne sei, erklärte der Infektiologe am Kantonsspital Winterthur ZH. Auch die Betreuung kranker oder isolierter Kinder des Personals könnte die Engpässe zusätzlich verschärfen. Zudem könnte es trotz nochmals intensivierten Hygienemassnahmen schwierig werden, Omikron-Ansteckungen in den Spitälern und Pflegeheimen zu verhindern.

Wegen der hochansteckenden Omikron-Virusvariante sieht Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery "grössere Probleme" auf die Welt zukommen. "Es droht eine Überlastung der Spitäler", sagte er im Interview mit dem "SonntagsBlick". Er plädierte für weitere Kontaktbeschränkungen. Der oberste Arzt der Welt sagte weiter, eine Impfpflicht sei "total richtig". "Diejenigen, die sich partout nicht impfen lassen wollen, werden aus Teilen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen. Punkt." Montgomery griff zudem die Impfhersteller an. "Die Impfstoffe werden von den meisten Konzernen ganz offensichtlich viel zu teuer verkauft", sagte er. Der Staat müsse die Gewinne der Pharmariesen abschöpfen und das Geld für eine faire Verteilung der Impfstoffe auf der Welt einsetzen.

Bundespräsident Cassis erachtet Lage als bewältigbar

Bundespräsident Ignazio Cassis hält die Lage in den Spitälern angesichts der Coronavirus-Pandemie derzeit noch für bewältigbar. "Kurzfristig müssen wir eine Überlastung der Intensivstationen verhindern. Stand heute ist die schweizweite Belegung der Intensivstationen mit circa 80 Prozent - die Hälfte davon Corona Patienten - noch zu managen", sagte Cassis dem "SonntagsBlick". Man könne die Kapazitäten auf den Intensivstationen steigern, sollte dies nötig werden. "Im Moment ist das aber nicht der Fall."

Lokale Engpässe könne es geben, doch da komme wie in der ersten Welle "die interkantonale Solidarität" zum Tragen. "Und wir sind jeder zeit bereit, auch mit Bundesmitteln wie dem Zivilschutz oder der Armee darauf zu reagieren." Der neue Bundespräsident äusserte sich besorgt um den Zusammenhalt im Land. "Ich sehe zu viel Streit und zu viel Intoleranz gegenüber Andersdenkenden." Drohungen und Anfeindungen hätten zugenommen, was auch die Bundesräte betreffe. "Besonders in den sozialen Medien fliesst das Gift."

(AWP/cash)