Der letzte Freitag war kein guter Tag an den US-Börsen. Der Dow Jones schloss 0,5 Prozent, der marktbreite S&P 500 1 Prozent und der Technologieindex Nasdaq sogar 2,2 Prozent im Minus.

Dieser Tagesverlust werde zwar in der Geschichte der Aktienmärkte kein Gewicht finden, schreibt Mohamed El-Erian, Ex-Pimco-Chef und einer der Top-Wirtschaftsberater beim deutschen Versicherungskonzern Allianz, in einem Meinungsbeitrag auf Bloomberg. Doch illustriere der Einbruch das Seilziehen, dass momentan an den Märkten herrsche und in den kommenden Wochen bestimmend bleibe, wenn nicht zunehmen werde.

Erholt sich die US-Wirtschaft langsamer?

Was war passiert? Der nächtliche Tweet von Donald Trump, dass er und seine Frau Melania an Corona erkrankt seien, löste am Terminmarkt eine grosse Reaktion aus. Als Folge verloren die Futures auf den Dow Jones insgesamt 500 Punkte. Es herrschte augenblicklich eine grosse Unsicherheit über die Gesundheit des Präsidentenpaares und des ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden. Zudem waren und sind die Implikationen für die Präsidentschaftswahl und das neue US-Fiskalprogramm noch unklar.

El-Erian sieht noch einen zweiten Punkt, der die Märkte am Freitag vor Handelsbeginn stark verunsicherte: Der monatliche US-Arbeitsmarktbericht verzeichnete einen Jobzuwachs, der unter den Erwartungen der Analysten lag. Dieser Datenpunkt passe in ein sich abzeichnendes Bild, in dem sich die wirtschaftliche Erholung der USA verlangsamt.

Während sich die gesundheitliche Lage von US-Präsident Donald Trump am Wochenende laut mehreren Berichten verbessert hat, werden gleichzeitig Ansteckungen von mehreren Trump-nahen Personen öffentlich. Erkrankt ist zum Beispiel der ehemalige Gouverneur von New Jersey Chris Christie. Zumindest die verbesserte gesundheitliche Lage des Präsidenten scheint die Märkte vorübergehend zu beruhigen: Die US-Futures notieren am Montag vor Handelsbeginn deutlich im Plus.

Niemand ist vor Corona sicher

El-Erian sieht aber genau in der Tatsache, dass sich der mächtigste Mensch auf dem Planeten nicht vor dem Virus schützen kann, das grösste Problem für die wirtschaftliche Erholung. Jeder Mensch werde sich nun fragen, wie exponiert bin ich selbst?

Die psychologische Implikation dieser individuellen und kollektive Wahrnehmung könnte den Ausblick für den Konsum, und damit die Nachfrage und schlussendlich die wirtschaftliche Erholung gefährden.

El-Erian fügt hinzu: "Dies kommt im Moment, wo die Wahrscheinlichkeit für ein neues Fiskalpaket, das den notleidenden Amerikanern hilft und das Leben mit Corona erleichtern soll, gering bleibt."

Optionsmärkte fühlen den Puls

Die Optionsmärkte reflektieren diese aktuellen Unsicherheiten besser als die Aktienmärkte, schreibt El-Erian in seinem Meinungsbeitrag auf Bloomberg. Denn Optionshändler positionieren sich aktuell für eine höhere Volatilität über mehrere Monate – die Terminkontrakte auf den Volatilitätsindex VIX und das Verhältnis von "Puts" und "Calls" im Optionsgeschäft deuten darauf hin. Dies erhöhe die Wahrscheinlichkeit für Korrekturen bei Vermögenswerten wie Aktien.

Die Aktienmärkte seien aber noch nicht an diesem Punkt angekommen, schreibt El-Erian. Denn noch immer herrsche unter den Anlegern die Meinung vor, die einzelnen Rückschläge für Zukäufe zu nutzen. Dies einerseits wegen fehlender Alternative zu Aktien, andererseits wegen der Angst der Anleger einen weiteren Anstieg an den Märkten zu verpassen – "Fear of Missing Out" (FOMO).

"Die wichtigen Zentralbanken mit ihren scheinbar unendlichen Willen zur Stützung der Märkte fördern diese Haltung der Anleger", schreibt El-Erian. Dabei scheinen die geldpolitischen Entscheidungsträger die fortschreitende Loslösung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft zu ignorieren.

Es herrsche vermutlich die Hoffnung vor, dass die Geldströme im Endeffekt auch der Realwirtschaft helfen würden und damit die hohe Bewertung von Wertschriften in der Zukunft rechtfertigen werde, so El-Erian. Doch es gibt für ihn auch eine Kehrseite der Medaille: "Es besteht die berechtigte Sorge, dass die Instabilität der Finanzmärkte eine starke und nachhaltige wirtschaftliche Erholung unterminiert."

(cash/Bloomberg)