Die konservative Partei liegt in jüngsten Umfragen bei 34 Prozent und damit weit vor der sozialdemokratischen SPÖ, die mit 22 Prozent knapp Platz zwei erreicht. Die rechtspopulistische FPÖ kann trotz der sogenannten Ibiza-Affäre ihres früheren Parteichefs Heinz-Christian Strache mit 20 Prozent rechnen. Politologen zufolge hat der 33-jährige Kurz gute Chancen, zum zweiten Mal Regierungschef zu werden, obwohl er erst im Mai über ein Misstrauensvotum gestürzt wurde. Schon damals machte er klar, dass er den Kanzlerposten zurück wolle. "Heute hat das Parlament entschieden, aber am Ende des Tages im September, da entscheidet in einer Demokratie das Volk", sagte Kurz, der über die höchsten Populiaritätswerte aller Politiker in Österreich verfügt.

Politischen Beobachtern zufolge hat es die ÖVP geschafft, gestärkt aus dem Ibiza-Skandal ihres früheren Koalitionspartners FPÖ hervorzugehen. Die rechts-konservative Regierung war im Mai nach nur eineineinhalb Jahren zerbrochen, nachdem ein heimlich in Ibiza aufgenommenes Video über Ex-FPÖ-Chef Strache und Fraktionschef Johann Gudenus lanciert wurde. Das Video zeigt, wie die FPÖ-Politiker einer vermeintlichen russischen Investorin Regierungsaufträge im Gegenzug für Wahlkampfhilfen in Aussicht stellen. Nach Straches Rücktritt zerbrach die gesamte Regierung. Wer hinter dem Video steckt, ist nach wie vor unklar.

Schon bei der Europawahl Mitte Mai war die ÖVP mit knapp 35 Prozent klarer Sieger. "Wenn ich die Rechts-Partei FPÖ wähle und empört bin nach Ibiza, wo soll ich sonst hingehen? Die landen bei der Mitte-Rechts-Partei ÖVP", sagte Politologe Peter Filzmaier zu Reuters. Schließlich gebe es bei vielen Themen, darunter Asyl- oder Steuerpolitik, Einigkeit.

Neuauflage nicht ausgeschlossen

Welchen Koalitionspartner sich die ÖVP an Bord holen will, ist offen. Eine Neuauflage des Bündnisses mit der FPÖ schloss Kurz nicht aus. In einem der vielen TV-Duelle vor der Wahl sagte er, dass er sich eine "ordentliche Mitte-Rechts-Politik" in Österreich wünschen würde. Eine Festlegung auf die FPÖ sah er darin nicht. Rechnerisch gibt es drei Optionen: Ein neues Bündnis mit der FPÖ, eine große Koalition mit der SPÖ oder ein Dreierbündnis mit Grünen und liberalen Neos - was etwa das österreichische Pendant zu einer "Jamaika"-Koalition in Deutschland wäre.

Inhaltlich haben ÖVP und FPÖ die größten Übereinstimmungen, der alte Koalitionsvertrag könnte einfach übernommen werden. Zudem wollen die Rechtspopulisten die Regierungsarbeit unbedingt fortsetzen. "Die Frage ist, ob Kurz die FPÖ für regierungsfähig hält. Wenn ja, haben wir vor Weihnachten eine Regierung", sagte Filzmaier. Eine solche Koalition wäre allerdings riskanter und unpopulärer als vor zwei Jahren. Die FPÖ war bisher in insgesamt vier Regierungen vertreten, die alle vor ihrer regulären Amtszeit geplatzt waren. "Wenn diese Regierung erneut vor ihrer Zeit scheitert, wird es Kurz verdammt schwer fallen, die Wähler zu überzeugen, ihn wieder zu wählen", sagte Politologe Peter Hajek.

Eine Alternative wäre ein Dreierbündnis mit den Grünen und der kleinen Oppositionspartei Neos. Die Grünen, die 2017 nach dem Rücktritt ihrer Parteichefin und internen Streitereien an der Vier-Prozent-Hürde scheiterten, liegen in den Umfragen bei 13 Prozent. Rückenwind erhält die Partei von der weltweiten Klimadebatte. Mit den liberalen Neos, die laut Umfrage auf acht Prozent kommen, verbindet die ÖVP Gemeinsamkeiten in der Wirtschaftspolitik. Der Politologe Thomas Hofer warnt aber: "Das ist eine sehr schwierige und sehr riskante Option." Neben inhaltlichen Differenzen gilt eine Dreierkoalition, die es in Österreich auf Bundesebene noch nie gegeben hat, als kompliziert.

Dass die SPÖ nach der Regierungskrise nicht punkten kann, begründen die Experten mit ihrer Asylpolitik. "Sie bräuchten nur nach Dänemark schauen. Dort haben die Sozialdemokraten im Sommer die Wahl gewonnen, weil sie beim Migrationsthema am rechten Rand sind", sagte Hajek. Kurz, der seit gut zwei Jahren ÖVP-Chef ist, hatte schon als Außenminister mit scharfen Worten zur europäische Migrationsdebatte für Aufsehen gesorgt. Nach dem Wahlsieg 2017 einigte er sich mit der FPÖ auf eine Koalition und wurde jüngster Regierungschef Europas.

Das Bündnis mit der EU- und Islam-skeptischen FPÖ wurde in Europa teils sehr kritisch gesehen und brachte ihm den Vorwurf ein, er habe die Rechten "salonfähig" gemacht. Gleichzeitig erhielt er von Konservativen in Europa Lob. "Gerade seine Einwanderungspolitik findet große Zustimmung, auch in Deutschland. Insofern sind er und die ÖVP ein gutes Vorbild, wohin sich die Union entwickeln sollte", sagte Werteunion-Vorsitzender Alexander Mitsch mit Blick auf den Kurs der CDU in Deutschland. 

(Reuters)