Obwohl die Kämpfe vielerorts andauern, ist es den russischen Streitkräften nach wie vor nicht gelungen, eine der grösseren Städte unter ihre Kontrolle zu bringen. Stattdessen kommen die Truppen von Russlands Präsident Wladimir Putin in den Ballungsgebieten nicht voran, es mangelt mitunter an Nachschub, und die ukrainischen Streitkräfte leisten erbitterten Widerstand. Dramatisch ist nach wie vor die Lage in der eingekesselten südostukrainischen Hafenstadt Mariupol, in der die Kämpfe auch am Mittwoch unvermindert weitergingen.

"Putin muss die Wahrheit hören über den Krieg in der Ukraine", sagte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz in der Generaldebatte im Deutschen Bundestag. "Und diese Wahrheit lautet: Der Krieg zerstört die Ukraine. Aber mit dem Krieg zerstört Putin auch Russlands Zukunft." Sowohl die Nato als auch die EU seien so geeint wie nie. Am Donnerstag und Freitag kommen die Staats- und Regierungschefs von Nato, Europäischer Union und G7 zu jeweiligen Gipfeltreffen zur Lage in der Ukraine in Brüssel zusammen. Dabei wird auch US-Präsident Joe Biden erwartet. Scholz versicherte der Ukraine weitere deutsche Unterstützung und betonte, dass auch an neuen EU-Sanktionen gegen Russland gearbeitet werde. Man sei sich allerdings mit den USA einig, dass die Nato nicht Kriegspartei werden dürfe.

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Ungeachtet der anhaltend schweren Kämpfe sieht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kleine Fortschritte in den Verhandlungen mit der Regierung in Moskau über eine Waffenruhe. "Wir arbeiten weiterhin auf verschiedenen Ebenen, um Russland zu ermutigen, sich in Richtung Frieden zu bewegen", sagte er in einer am frühen Mittwochmorgen gesendeten Ansprache. Den russischen Streitkräften warf Selenskyj vor, Evakuierungen von Zivilisten aus Mariupol zu vereiteln. In der Hafenstadt würden 100'000 Menschen unter unmenschlichen Bedingungen leben. Sie seien ständigem Beschuss ausgesetzt. Ihnen fehlten Lebensmittel, Wasser und Medikamente. Berichte unabhängiger Journalisten aus der Stadt gibt es seit mehr als einer Woche nicht mehr.

Lage um Kiew «statisch»

Auch aus anderen Landesteilen wurden weitere Kämpfe gemeldet. Im täglichen Lagebericht des britischen Verteidigungsministeriums hiess es, die Lage um die Hauptstadt Kiew sei "statisch". Offensichtlich versuchten die russischen Streitkräfte, sich neu zu formieren. Im Osten versuchen die russischen Truppen offenbar, ihre Verbände um Charkiw und Mariupol zusammenzuführen. Im Südwesten marschierten die russischen Streitkräfte an der Stadt Mykolajiw weitgehend vorbei in Richtung Odessa am Schwarzen Meer, wo sich der grösste Hafen der Ukraine befindet. Raketenangriffe wurden in Mykolajiw, in der Region um Tschernihiw nördlich von Kiew sowie in der Hauptstadt selbst gemeldet.

Nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft sind in dem Krieg bisher 121 Kinder getötet und 167 verletzt worden. Die Angaben beider Seiten über das Kriegsgeschehen lassen sich derzeit nicht überprüfen. Die Ukraine und westliche Länder sprechen von einem Angriffskrieg und einer russischen Invasion im Nachbarland, die am 24. Februar begann. Russland bezeichnet sein Vorgehen in der Ukraine dagegen als Spezialoperation zur Zerstörung militärischer Stützpunkte sowie zur Demilitarisierung der Ukraine. In dem Krieg sollen nach Angaben der Ukraine und aus westlichen Sicherheitskreisen bereits Tausende Menschen gestorben sein.

Die UN sprechen mittlerweile von 3,5 Millionen Flüchtlingen aus der Ukraine, die sich im Ausland in Sicherheit gebracht haben, überwiegend Frauen, Kinder und Ältere. 

Biden reist nach Europa

US-Präsident Biden wurde am Mittwoch in Europa erwartet, wo er am Donnerstag in Brüssel an einem Nato- und einem G7-Gipfel teilnehmen wird. Dabei wird es auch um weitere Sanktionen gegen Russland gehen. Nach Angaben aus US-Regierungskreisen plant Washington weitere Sanktionen gegen Mitglieder des russischen Parlaments. Es wird erwartet, dass die US-Regierung neue Sanktionen am Donnerstag bekanntgeben wird. Biden hatte sich bereits am Montag mit den Regierungschefs Deutschlands, Grossbritanniens, Frankreichs und Italiens über das weitere Vorgehen abgestimmt.

Auch die EU arbeitet an weiteren Sanktionen, wie Scholz betonte. Der Kanzler machte allerdings erneut deutlich, dass ein sofortiger Stopp der Energieimporte aus Russland für Deutschland nicht möglich sei, weil ansonsten eine Rezession drohe. "Hunderttausende Arbeitsplätze wären in Gefahr. Ganze Industriezweige stünden auf der Kippe", sagte Scholz. Sanktionen dürften die EU-Staaten nicht härter treffen als Russland. Man werde diese Abhängigkeit von russischen Importen von Gas, Öl und Kohle aber "so schnell wie nur irgendwie möglich" beenden. Für EU-Sanktionen im Energiesektor haben sich dagegen etwa Litauen und Irland ausgesprochen. 

(Reuters/cash)