Nach dem historischen Tief hellt sich die Stimmung in den deutschen Chefetagen weiter auf. Der Ifo-Geschäftsklimaindex für Juni kletterte in Rekordtempo auf 86,2 Zähler von 79,7 Punkten im Mai, wie das Münchner Ifo-Institut am Mittwoch mitteilte. "Dies ist der stärkste jemals gemessene Anstieg", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. "Die deutsche Wirtschaft sieht Licht am Ende des Tunnels".

Die rund 9000 befragten Manager schätzten ihre Geschäftsaussichten und - erstmals seit Beginn der Corona-Krise - auch ihre Lage günstiger ein als zuletzt. Ökonomen warnen aber, dass der Weg zum Niveau vor der Krise noch lang sei und eine zweite Infektionswelle die Belebung bremsen könnte.

Im Verarbeitenden Gewerbe stieg die Stimmung erneut deutlich, vor allem weil die Erwartungen so stark zulegten wie nie. "Die Lage in der Industrie ist aber immer noch sehr schlecht – besonders in den Kernbereichen Maschinenbau, Auto, Chemie und Elektrotechnik", sagte Wohlrabe. Auch bei den Dienstleistern ging es im Zuge der Lockerungen der Corona-Eindämmungsmaßnahmen "steil" nach oben. "Insbesondere nahm der Pessimismus mit Blick auf das kommende halbe Jahr deutlich ab", erklärte das Ifo. Im Handel und am Bau stieg der Geschäftsklimaindex ebenfalls.

«Schleudertrauma macht sich bemerkbar»

Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe sagte im Reuters-Interview, das Konjunkturtal sei durchschritten. "Den Tiefpunkt haben wir hinter uns, es geht wieder aufwärts." Allerdings warnen Fachleute vor zu viel Euphorie. "Überschwängliche Freude kommt aber nicht auf. Der Stachel sitzt tief", sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. Der erste Schock sei zwar überwunden. "Doch das wirtschaftliche Schleudertrauma macht sich jetzt richtig bemerkbar." Die deutsche Wirtschaft werde an den Pandemie-Folgen noch lange leiden. "Bis sich die konjunkturellen Wunden schließen, können noch Jahre ins Land gehen."

Auch DekaBank-Experte Andreas Scheuerle gab sich skeptisch. "In weiten Teilen der Welt wütet das Coronavirus mit unverminderter Stärke weiter, und eine zweite Infektionswelle in Deutschland ist jederzeit möglich." Diese Sorgen teilen auch Europas Börsen. Dax und EuroStoxx50 lagen am Mittwochmittag je rund zwei Prozent im Minus. Trotz jüngster Hoffnungssignale wird die konjunkturelle Erholung der Euro-Zone laut EZB-Chefvolkswirt Philip Lane lange Zeit benötigen.

Die Lockerungen machten zwar kurzfristig bedeutende Wachstumsfortschritte möglich, erklärte Lane in einer Online-Veranstaltung. Doch wegen der extremen Tiefe des Konjunktureinbruchs in der Pandemie werde es noch geraume Zeit dauern, bis das Vorkrisen-Niveau wieder erreicht werde.

Die Viruskrise trifft die Konjunktur mit voller Wucht. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) fiel bereits von Januar bis März um 2,2 Prozent und damit so stark wie seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 nicht mehr. Im laufenden zweiten Quartal dürfte das BIP nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen sogar um zehn bis elf Prozent einbrechen. Ab dem dritten Quartal rechnen die meisten Experten dann mit einer spürbaren Belebung der Konjunktur und mit deutlichem Wachstum. "Im Sommerquartal könnte es zu einem Plus von um die sieben Prozent reichen", sagte Ifo-Ökonom Wohlrabe. 

(Reuters/cash)