Endlich wieder im Plus: Nach drei heftigen Verlusttagen in Folge hat sich die Athener Börse am Donnerstag wieder gefangen. Der griechische Leitindex Athex Composite legte im Laufe des Tages bis zu 3,2 Prozent zu.
Ganz weit oben in der Erholungsrangliste reihten sich die Aktien der Nationalbank (nach Werthalbierung in den vergangenen Tagen) und der Eurobank mit Gewinnen von 24 respektive 15 Prozent ein. Andere Finanztitel verloren hingegen weiter an Wert. Seit Anfang Woche beläuft sich ihr Minus teilweise auf mehr als 60 Prozent. Als Teil der Kapitalverkehrskontrollen, um einen Ansturm auf die Banken des Landes zu vermeiden, blieb die griechische Börse zuletzt mehr als einen Monat geschlossen. An den ersten drei Tagen nach Wiedereröffnung rauschte der Leitindex rund 20 Prozent in die Tiefe.
Ist dies nun ein lukrativer Einstiegspunkt oder bloss ein Zwischenhalt auf der Fahrt in noch tiefere Punktestände? Die Volatilität dürfte vorerst anhalten, sind sich Marktbeobachter einig. "Die griechische Börse war schon vor der Krise volatiler als andere europäische Märkte und das dürfte sich fortsetzen", sagt Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, zu cash. Grund dafür sind in erster Linie die griechischen Banken, die den Verlauf der griechischen Börse entscheidend mitbestimmen.
Banken treiben die Börse
Denn die Geschicke der Finanzinstitute sind stark mit dem griechischen Staat verbandelt. Nimmt in Zukunft die Schuldenlast Athens ab, sinken in der Folge die Zinsen der Staatsanleihen, was wiederum die Bilanzen der Banken entlasten würde. "Das könnte dann auch den Aktienmarkt antreiben", sagt Anlagestratege Christian Gattiker von der Bank Julius Bär. Doch um an diesen Punkt zu gelangen, wäre ein Schuldenschnitt oder ein gutes Reformpaket notwendig, so Gattiker gegenüber cash. Doch das ist derzeit nur Hypothese und der Hellas-Markt bleibt hochgradig politisch getrieben.
Von ökonomischer Seite bleiben die Impulse hingegen schwach, da die Rahmenbedingungen in Griechenland nach wie vor sehr anspruchsvoll sind. Konjunkturumfragen deuten zudem auf eine weiterhin stark schrumpfende Wirtschaft hin. "Man muss sich fragen, wo kurzfristig positive Signale herkommen sollen", sagt Felix Brill, CEO des Unternehmensberaters Wellershoff & Partner. Solange das unsichere Umfeld bestehen bleibt, sei die griechische Börse nur etwas für hochspekulative Anleger, so Christian Gattiker. "Das Geld könnte ebenso gut im Casino eingesetzt werden."
Auch Karsten Junius sieht die Athener Börse als sehr stark politisch getrieben an. Griechische Regierungsvertreter hatten kürzlich Neuwahlen als wahrscheinlich bezeichnet, was erneut für Unruhe sorgen könnte. Ob Alexis Tsipras dann an der Macht bleiben kann und wie die Märkte darauf reagieren würden, ist fraglich. "Wie schnell in Griechenland die Stimmung ändern kann, haben wir in den vergangenen Wochen ja gesehen", sagt Junius.
Firmen aus der Realwirtschaft
Dennoch hat der Kursrutsch auch seine spannende Seite: Viele griechische Aktien sind derzeit sehr günstig. Risikofreudige Anleger dürften deshalb das eine oder andere Schnäppchen finden. "Selektive Einstiege können sich unter Umständen lohnen", sagt Jörn Spillmann von der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Wie bereits erwähnt, gilt dabei: Finger weg von den Banken, weil es dort noch keine Lösungen gibt. Bessere Perspektiven sieht der Leiter der ZKB-Anlagestrategie bei Firmen, die ihr Geld in der Realwirtschaft verdienen. "Beispielsweise bei Airlines, Schifffahrtsgesellschaften oder Nahrungsmittelproduzenten", so Spillmann. An der griechischen Börse ist unter anderem der Coca-Cola-Abfüller Coca-Cola HBC, die Airline Aegean oder der Hafenbetreiber Piraeus Port Authority kotiert.
Für nervenstarke Anleger, die auf die griechische Erholung wetten wollen, gibt es auch ein Index-Produkt: den ETF Global X FTSE Greece 20. Bär-Experte Christian Gattiker macht allerdings für alle Griechenland-Engagements darauf aufmerksam, dass die Kapitalverkehrskontrollen weiterhin ein Risiko darstellen. Diese könnten dazu führen, dass Investoren ihr eingesetztes Geld nur noch teilweise oder gar nicht mehr zurückerhalten.
Musterbeispiel Spanien
Einig sind sich alle Marktbeobachter, dass es anderswo in Europa spannendere Aufschwung-Geschichten gibt. Am häufigsten genannt wird Spanien, wo die Konjunktur merklich anzieht und unlängst die Arbeitslosigkeit auf den tiefsten Stand seit fast fünf Jahren gefallen ist. Sie liegt aber immer noch bei hohen 22,4 Prozent. Felix Brill, CEO von Wellershoff & Partners, nennt Spanien "das Musterbeispiel einer Erholung nach der Krise."
Mit einer Performance von 10 Prozent im laufenden Jahr hat der spanische Leitindex IBEX 35 zudem noch Aufholpotenzial gegenüber anderen europäischen Börsen wie der italienischen (+26 Prozent), der französischen (+22 Prozent) oder der portugiesischen (+20 Prozent).