Die Kolumne «Gopfried Stutz» erschien zuerst im |
Man stelle sich vor, da wird man entlassen, nach zwei Jahren ausgesteuert und muss Sozialhilfe beziehen. Fünf Jahre vor der ordentlichen Pensionierung, sobald also der Anspruch auf Altersleistungen entsteht, heisst es dann seitens der Sozialhilfebehörde, man müsse sich das Kapital auf dem Freizügigkeitskonto auszahlen lassen, um damit die Sozialhilfeschulden zurückzuzahlen.
Seit Jahren sorgt diese Praxis für Unmut. Vor allem Aargauer Gemeinden setzen unterstützungsbedürftige Personen auf diese Weise unter Druck. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) empfiehlt zwar, auf eine Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen mit Geldern der 2. Säule zu verzichten. Das Vorsorgeguthaben sei zur Deckung des aktuellen und künftigen Lebensunterhalts vorgesehen. Die meisten Kantone befolgen die Richtlinien der Skos, verbindlich sind sie aber nicht.
Der Zwang, Vorsorgeguthaben zu beziehen, um damit die Sozialhilfe abzulösen, ist das eine. Der Zwang, mit diesem Geld die Sozialhilfe zurückzubezahlen, ist das andere. Nach Auffassung des Bundesrats müssten Sozialhilfeempfänger erst dann das Pensionskassenkapital beziehen, wenn sie die AHV vorbeziehen können, was Frauen mit 62 und Männer mit 63 tun können. «Dies, weil die Altersleistung der 2. Säule eine Ergänzung zur AHV-Leistung sein soll und dann beide zusammen im Bedarfsfall durch Ergänzungsleistungen komplettiert werden.»
Zur Frage, ob die angesparten obligatorischen Vorsorgeguthaben für die Rückerstattung von Sozialhilfe verwendet werden dürfen, äussert sich der Bundesrat nicht.
Das tat dafür das Bundesgericht am 24. November 2021, als es einen konkreten Fall im Kanton Aargau zu beurteilen hatte. Es meint, Rückzahlungen von Sozialhilfeleistungen mit Geldern der persönlichen Altersvorsorge seien im Kanton Aargau grundsätzlich zulässig. Allerdings seien ausbezahlte Freizügigkeitsguthaben nur beschränkt pfändbar.
Um die pfändbare Quote zu berechnen, muss laut Bundesgericht die Kapitalauszahlung in eine Rente umgerechnet werden. Gemäss der Unabhängigen Fachstelle für Sozialhilferecht (UFS) wird dies in der Praxis dazu führen, dass in den meisten Fällen keine oder nur eine sehr bescheidene pfändbare Quote resultiert. Für Gemeinden, die Pensionäre betreiben würden, bedeute dies: Ausser Spesen nichts gewesen.
Zumindest im Kanton Aargau dürfte sich das Problem so oder so entschärft haben. Ab 2023 dürfen Gemeinden den Sozialhilfeempfängern keine Rückerstattungsforderungen mehr stellen. Das hat der Regierungsrat am 24. Juni 2022 beschlossen.