Die als Richtwert geltenden niederländische Gas-Futures fielen um bis zu 13 Prozent und gaben damit einen Grossteil des Anstieg vom gestrigen Montag wieder ab. Deutsche Strom-Futures für nächstes Jahr gaben bis zu 11,5 Prozent nach. Russlands Entscheidung, die Ostseepipeline Nord Stream nicht wieder hochzufahren hat Marktinterventionen in der Europäischen Union wahrscheinlicher gemacht, bis hin zu Preisdeckeln, Übergewinnsteuern und in Deutschland einer mehrmonatigen Gnadenfrist für zwei Kernkraftwerke.
Freilich bleibt die Sorge, wie die EU das ausbleibende russische Gas ersetzen wird, wenn es kalt wird und die Nachfrage steigt. Das Ziel der Bundesregierung, die Gasspeicher bis Anfang November zu 95 Prozent aufzufüllen, ist wohl kaum noch erreichbar, berichten mit der Angelegenheit vertraute Personen. Am Montag hatte die düstere Lage den Euro auf den tiefsten Stand seit zwei Jahrzehnten getrieben, die Aktienmärkte stürzten ab.
"Vielleicht hat Russland seinen Trumpf zu früh ausgespielt, da wir uns noch nicht in den kälteren Wintermonaten befinden", sagt Nick Campbell, ein Direktor bei Inspired. In Anbetracht der noch steigenden Gasvorräte und der von der EU geplanten Massnahmen ist die Abschaltung von Nord Stream "vielleicht nicht der Todesstoss, den der russische Staat erwartet hat".
Die EU-Energieminister erörtern am Freitag Massnahmen, um die ausufernden Energiepreise im Zaum zu halten. Laut einem Bloomberg vorliegenden Entwurf geht es dabei unter anderem um Preisobergrenzen für Erdgas und die Aussetzung des Handels mit Stromderivaten. Die künftige britische Premierministerin Liz Truss hat Pläne zum Einfrieren der Energierechnungen ergearbeitet.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat nun doch eine Mini-Kehrtwende vollzogen und behält die Kernkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim in diesem Winter als Notfallreserve verfügbar. Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron verkündeten am Montag einen Energiepakt, mit dem sich die grössten Länder der EU gegenseitig durch den Winter helfen wollen.
(Bloomberg)