Rentner und medizinisches Personal erhielten die ersten Spritzen, mit der die Pandemie in den Griff bekommen werden soll, die weltweit bislang mehr als 1,7 Millionen Todesopfer gefordert hat. "Gott sei Dank", sagte die 96-jährige Araceli Hidalgo, die sich als erste Spanierin impfen liess. Sie erzählte dem Personal in ihrem Pflegeheim in Guadalajara bei Madrid, dass sie nichts gespürt habe. "Mal sehen, ob wir das Virus zum Verschwinden bringen können."

In Italien, dem am schwersten von der Pandemie betroffenen Land in Europa, erhielt die 29-jährige Krankenschwester Claudia Alivernini eine Immunisierung. "Es ist der Anfang vom Ende ... es war ein aufregender, historischer Moment", sagte sie im Spallanzani-Krankenhaus in Rom.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zeigte sich zum bundesweiten Impfstart optimistisch, die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen. "Der Impfstart heute macht Hoffnung und gibt Zuversicht", schrieb der CDU-Politiker auf Twitter. Offiziell begannen die bundesweiten Impfungen an diesem Sonntag, doch war Sachsen-Anhalt bereits am Samstag überraschend vorgeprescht: In einem Altenheim in Halberstadt waren Bewohner und Personal geimpft worden, darunter eine 101-Jährige. Auch in Ungarn und der Slowakei wurde bereits am Samstag Impfungen vorgenommen.

EU sichert sich mehr als zwei Milliarden Impfdosen

Die Europäische Union mit ihren rund 450 Millionen Einwohnern hat sich Verträge mit einer Reihe von Lieferanten für mehr als zwei Milliarden Impfdosen gesichert. Ziel ist es, alle Erwachsenen im Jahr 2021 zu impfen. Umfragen zeigen allerdings, dass von Frankreich bis Polen eine grosse Zurückhaltung gegenüber dem Impfstoff besteht, der in Rekordtempo entwickelt wurde. Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder betonen deshalb, dass der Impfstoff die beste Chance ist, im nächsten Jahr zu einem halbwegs normalen Leben zurückzukehren. "Die Impfung ist der nachhaltige Weg aus der Pandemie", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Die Europäische Kommission hatte vergangenen Montag die finale Genehmigung für die Zulassung des Impfstoffes der Mainzer Biotechfirma BioNTech und ihres US-Partners Pfizer erteilt. "Dass dieser Impfstoff in Deutschland für uns und für die Welt entwickelt wurde, erfüllt mich mit Stolz", schrieb Spahn.

Allerdings stellt die Verteilung des Impfstoffes von Pfizer/BioNTech eine grosse logistische Herausforderung dar. Er muss bei extrem niedrigen Temperaturen von etwa minus 70 Grad Celsius gelagert werden. Bei der Auslieferung der ersten Charge des Vakzins gab es in Bayern offenbar Schwierigkeiten. Bei den Impfzentren Coburg, Lichtenfels, Kronach, Kulmbach, Hof, Bayreuth und Wunsiedel habe es Problemen bei der Nachvollziehbarkeit der Kühlkette gegeben, wie der Landkreis Lichtenfels mitteilte. "Sollte es nur den geringsten Anhaltspunkt geben, dass der Impfstoff nicht zu 100 Prozent den Qualitätskriterien entsprechen, wird diese Charge auch nicht verimpft", sagte Landrat Christian Meissner, Vorsitzender des Bezirksverbandes Oberfranken des Bayerischen Landkreistages. "Die Bevölkerung vertraut darauf, dass sie einwandfreien Impfstoff gegen das Corona-Virus erhält und deswegen kann es keine andere Lösung geben."

Neben Krankenhäusern und Pflegeheimen werden auch Sporthallen und Kongresszentren, die aufgrund von Abriegelungsmassnahmen leer stehen, zu Schauplätzen für Massenimpfungen. In Italien wurden solarbetriebene Pavillons in Form einer fünfblättrige Blüten - ein Symbol des Frühlings - auf Stadtplätzen aufgebaut. In Spanien wurden die Impfdosen auf dem Luftweg in die Inselgebiete und die nordafrikanischen Enklaven Ceuta und Melilla geliefert. Portugal richtet separate Kühllager für seine atlantischen Inselgruppen Madeira und die Azoren ein.

«Kann jetzt meine Urenkel sehen»

Viele Impfteilnehmer zeigten sich erleichtert, dass das Mittel nun verfügbar ist. Pedro Pires wartete mit anderen Krankenschwestern im Lissabonner Santa-Maria-Krankenhaus am Ende einer zehnstündigen Nachtschicht auf eine Spritze. "Es war anstrengend ... eine Menge Arbeit", sagte er zu Reuters. "Ich bin glücklich, dass ich jetzt meine Urenkel sehen kann", sagte Branka Anicic, eine Bewohnerin eines Pflegeheims in Zagreb und die erste Person, die in Kroatien eine Spritze bekam.

Die Impfkampagne ist umso dringlicher, als eine neue Variante des Virus mit einer raschen Zunahme der Fälle in Grossbritannien in Verbindung gebracht wird. In den vergangenen Tagen wurden auch in Schweden und Frankreich Fälle dieser Variante entdeckt, die besonders ansteckend sein soll. Bislang gibt es laut Wissenschaftlern keine Hinweise darauf, dass die Impfstoffe weniger wirksam gegen diese Variante sind.

In der Tschechischen Republik stand Premierminister Andrej Babis an der Spitze der Schlange. In Österreich liessen sich drei Frauen und zwei Männer über 80 Jahre an der Medizinischen Universität Wien impfen, während Bundeskanzler Sebastian Kurz zusah. "Die nächsten Monate werden fordernd bleiben und Einschränkungen mit sich bringen", betonte Kurz. "Aber wir nähern uns mit jeder Impfung, die durchgeführt wird, Schritt für Schritt dem Weg zurück in Richtung Normalität."

(Reuters)