Der irische Aussenminister Simon Coveney sagte am Freitag, der Ansatz von Johnson sei nicht hilfreich und werde nicht zu einer Einigung führen. Auch Frankreich wies Forderungen aus London nach Neuverhandlungen über den Brexit-Vertrag zurück.

Dieser sei der beste Weg, Grossbritannien einen ordentlichen Austritt aus der EU zu ermöglichen, sagte Europa-Staatssekretärin Amelie de Montchalin. Ähnlich hatte sich bereits am Donnerstag EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker geäussert.

Der konservative Brexit-Hardliner Johnson hat am Mittwoch die Amtsgeschäfte von Theresa May übernommen, die mit dem Vertrag zu den Scheidungsdetails mehrfach im britischen Parlament gescheitert war. Johnson fordert nun, das Paket noch einmal aufzuschnüren und die Nordirland-Klausel abzuschaffen, die eine harte Grenze mit Kontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland vermeiden soll. Johnson will notfalls ohne Ausstiegsvertrag die EU Ende Oktober verlassen. Für die Wirtschaft wäre dies das Horror-Szenario.

Bonität gefährdet?

Der deutsche EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger warnte Johnson, im Falle eines ungeregelten Brexit die milliardenschwere Austrittsrechnung nicht zu begleichen. "Wenn es ernst würde mit diesen Aussagen, dann würde dies die Bonität des Vereinigten Königreichs gefährden", sagte Oettinger dem "Tagesspiegel" laut Vorabbericht aus der Samstagausgabe.

Nach Angaben des britischen Innenministeriums plant die Regierung einen Sonderhaushalt, um für mehr Wirtschaftswachstum zu sorgen. Allerdings bestätigten weder Johnson noch das Finanzministerium solche Pläne. Sie könnten dem Land helfen, Turbulenzen im Zuge eines Chaos-Brexit aufzufangen.

Schon jetzt bremst die Unsicherheit viele Unternehmen aus. Der Verband für die in Grossbritannien produzierenden Autobauer warnte Johnson eindringlich: "Ein No-Deal-Brexit stellt eine existenzielle Bedrohung für unsere Branche dar", hiess es in einem Brief an den Premierminister. Hohe Zölle und Produktionsrückgänge drohten.

Ein Johnson-Sprecher sagte, der neue Regierungschef habe mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gesprochen. Er habe dabei seine Brexit-Forderungen dargelegt. Johnson habe auch mit Vertretern aus Wales, Schottland und Nordirland telefoniert. Bei der bisher angedachten Lösung für die irische Grenze ohne Kontrollen müsste Nordirland oder das Vereinigte Königreich als Ganzes in der Zollunion mit der EU bleiben. Das könnte Gespräche über Handelsvereinbarungen mit anderen Ländern erschweren.

(Reuters)