Dafür treffen sich Unterhändler der beiden Seiten am Montag erstmals in Brüssel. Die Verhandlungen sind für Unternehmen beiderseits des Ärmelkanals entscheidend: Vom Ergebnis hängt ab, wie einfach - oder wie kompliziert - die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Insel und dem Kontinent werden. Dabei geht es um Hunderte Milliarden Euro im Jahr. Denn die EU ist mit großem Abstand der wichtigste Handelspartner des Königreiches. Für deutsche Exporteure ist Großbritannien mit einem Volumen von über 84 Milliarden Euro fast so wichtig wie China.

Bevor die Briten im März 2019 die Union verlassen, ändert sich in den Handelsbeziehungen nichts. Danach gilt eine Übergangsphase bis Ende 2020, in der die bisherigen Regeln weitgehend beibehalten werden sollen. Großbritannien bleibt also im gemeinsamen Binnenmarkt und in der Zollunion. Für die Zeit danach hat die EU ein weitreichendes Freihandelsabkommen angeboten. Doch Premierministerin Theresa May möchte mehr, nämlich ein "maßgeschneidertes Abkommen". Was genau darunter zu verstehen ist, dürfte sich in den kommenden Monaten abzeichnen. Staats- und Regierungschefs der 27 Partner beharren aber schon seit dem Brexit-Votum darauf, dass es keine "Rosinenpickerei" geben dürfe. Will heißen: Wer aus dem Binnenmarkt und der Zollunion austreten will, darf danach nicht mit einer Sonderbehandlung rechnen.

Welchen Standpunkt die EU in den Verhandlungen vertritt, steht seit März fest. Unter der Hand ist darüber bereits die Regierung in London informiert worden. Einem Diplomaten zufolge wird die EU-Position in der kommenden Woche auch offiziell den britischen Unterhändlern vorgestellt. Ein anderer Diplomat sagt, Großbritannien habe jetzt mehrere Wochen Zeit für eine Analyse gehabt. "Ich hoffe und erwarte, dass sie uns nun in der kommenden Woche erklären, was sie sich vorstellen und wie Großbritannien die künftige Beziehung sieht."

"Digitale Grenze" für einen nahtlosen Übertritt

Ein wichtiger Streitpunkt - und eventuell sogar der Knackpunkt überhaupt - dürfte die Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland werden. Beide Seiten wollen verhindern, dass es auf der grünen Insel wieder Grenzkontrollen gibt. Doch nach der Übergangsphase verläuft dort voraussichtlich eine Zollgrenze.

Der Konflikt ist heikel, weil der Irlandkonflikt trotz des Friedensabkommens 1998 weiter schwelt. Die Furcht geht um, dass er sich an einer "harten Grenze" entzündet. Denn irische Republikaner sind für eine Vereinigung der britischen Region mit Irland. Probritische Unionisten und die Regierung in London lehnen es dagegen ab, die Provinz vom Rest des Königreiches abzutrennen und faktisch eine Grenze im eigenen Land zu errichten. Diplomaten zufolge setzt Großbritannien auf Technik. So soll es eine "digitale Grenze" für einen nahtlosen Übertritt geben. In der EU überwiegt die Skepsis: Ein Diplomat sagte etwa, dies wäre eine Lösung mit "Elfen und Feen".

Sollte keine Einigung gelingen, schwebt der EU vor, Nordirland in der gemeinsamen Zollunion zu belassen. Das jedoch lehnt May ab: Kein britischer Premierminister könne dies je akzeptieren, erklärte sie im März. Der Konflikt ist so kompliziert, dass die Verhandlungen auch ganz scheitern könnten. Dann droht britischen und europäischen Unternehmen der Rückfall auf die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Damit wäre das Königreich bei den Wirtschaftsbeziehungen mit der EU schlechter als etwa Kanada gestellt.

(Reuters)