Gross- und Privatbanken, die den Millionären einen Strafzins auferlegen, verursachen noch kein schwerwiegendes gesellschaftliches Problem. Wenn aber schon Vermögen von 250'000 Franken auf Sparkonten betroffen sind, wird es ungemütlich. Gegeben, dass die Hälfte aller Einwohnerinnen und Einwohner mehr als 100'000 Franken auf dem Konto haben, sind Negativzinsen nahe an den Vermögen vieler Leute angekommen.
Noch ist das Bewusstsein für das Problem gering. Die Schweiz ist eine der wichtigsten Volkswirtschaften der Welt, verfügt über einen der grössten Finanzplätze, zahlt einem grossen Teil der Bevölkerung ansehnliche Löhne und verlangt dabei noch vergleichsweise wenig Steuern – aber das Finanzwissen ist in der breiten Bevölkerung nicht sehr ausgeprägt.
Klar, den Negativzinsen kann man als Normalsparer entgehen, wenn man mehrere Konten unterhält oder die Bank wechselt. Vielleicht lässt die Bank auch mit sich reden. Sie wird einem dann dazu überreden wollen, einen Teil des Vermögens anzulegen.
Aber da fängt das Problem an. Aktien sind eine tolle und langfristig lohnende Anlage, aber wer Geld an der Börse investiert, muss über ein gewisses Grundverständnis von Finanzmärkten und Unternehmensanalyse verfügen. Anleihen wiederum geben kaum Rendite, und wer das bisschen Zins erhalten will, das es noch auf Kassenobligationen gibt, muss der Bank mindestens einen sechsstelligen Betrag auf gewiss fünf Jahre überlassen – und kann auf das Geld nicht zugreifen.
Gold ist zwar gerade im Hoch, schwankt aber deutlich über die Jahre. Eine Immobilie wiederum kauft man nicht einfach so. Und wer beispielsweise in Crowd-Lending-Systeme einbezahlt, erhält zwar viel Rendite - dies allerdings gepaart mit einem erhöhten Ausfallrisiko. Von anderen Risiken ist wiederum auszugehen, wenn hohe Geldbeträge zuhause aufbewahrt werden.
Natürlich gibt es kein Menschenrecht darauf, dass einem die Bank ein Sparguthaben ansehnlich verzinst. Oder überhaupt verzinst: Zinsen spiegeln eine ökonomische Realität und diese hat zu Tief- und Negativzinsen geführt. Sie sind das Resultat davon, wie Zentralbanken auf Bankenkrisen und überschuldete Staatshaushalte reagiert haben.
Dabei ist es nicht unrealistisch davon auszugehen, dass die Negativzinsen in der Schweiz noch Jahre in Kraft sein werden. Noch kann man die Zahl der Betroffenen, die von Negativzinsen auf dem Bankkonto betroffen sind, als bedauernswerte Einzelfälle bezeichnen. Aber die Liste der Banken, die ihre Kunden belasten, wird länger.
Und damit steigt die Verunsicherung um die Frage, wie man sein Geld eigentlich noch aufbewahren soll. Erfahrungen zufolge wird Geld eher gehortet, wenn die Menschen dem Wirtschaftsgeschehen nicht mehr so richtig trauen. Damit wäre dann das Gegenteil dessen erreicht, was lockere Geldpolitik will: Das Wachstum wird gebremst, und nicht angekurbelt.