Die Europäische Zentralbank (EZB) kämpft mit einer erneuten Jumbo-Zinserhöhung gegen die von Rekord zu Rekord eilende Inflation im Euro-Raum. Die Währungshüter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag, den Leitzins um 0,75 Punkte auf nunmehr 2,0 Prozent anzuheben.
Der an den Finanzmärkten massgebliche Einlagensatz wurde im selben Umfang auf 1,50 Prozent erhöht. Dies ist nach September die zweite XXL-Zinserhöhung in Folge und insgesamt bereits der dritte Straffungsschritt. Die Währungshüter signalisierten zugleich ihre Bereitschaft zu weiteren Zinserhöhungen: Der EZB-Rat "geht davon aus, dass er die Zinsen weiter anheben wird", hiess es.
Mit ihrem abermaligen grossen Zinsschritt reagieren die Währungshüter auf den anhaltenden Preisschub. Angetrieben von den steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen infolge des Ukraine-Kriegs ist die Inflationsrate im September auf 9,9 Prozent geklettert - das höchste Niveau seit Gründung der Währungsunion. Die Teuerung hat dabei immer weitere Bereiche der Wirtschaft erfasst. Auch ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel zog die Teuerungsrate zuletzt kräftig an. Die Inflation liegt inzwischen fast fünfmal so hoch wie das Inflationsziel der Notenbank von zwei Prozent, das sie als ideal für die Wirtschaft erachtet.
Die Währungshüter wollen unbedingt vermeiden, dass sich die hohe Inflation in den Köpfen der Menschen festsetzt. Das Kalkül: Wenn die Inflationserwartungen aus dem Ruder laufen, wird es für die EZB noch schwieriger, die Teuerung wieder einzudämmen und in Richtung ihrer Zielmarke zu bewegen. Im Vorfeld der Zinssitzung hatten sich bereits viele Währungshüter dafür ausgesprochen, erneut eine ungewöhnlich starke Zinserhöhung von 0,75 Prozentpunkten zu beschliessen. Auch Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte einen robusten Zinsschritt gefordert.
EZB-Präsidentin Lagarde wird auf der Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss voraussichtlich danach befragt werden, wie es geldpolitisch weitergeht. Volkswirte gingen zuletzt davon aus, dass die Notenbank Mitte Dezember auf ihrer letzten Zinssitzung in diesem Jahr nachlegen wird. Nach ihrer Einschätzung wird sie dann aber womöglich die Zinsschrauben nicht mehr ganz so stark anziehen. Denn die Energiepreise waren zuletzt wieder etwas gesunken. Zudem dürfte die drohende Rezession in der Euro-Zone dafür sorgen, dass sich der Preisdruck etwas abmildert.
(cash/Reuters)