Die deutsche Bundesnetzagentur warnte die Nord Stream 2 AG des russischen Gasriesen Gazprom davor, den Betrieb ohne eine Zertifizierung durch die deutschen Behörden aufzunehmen. Das wäre ein Rechtsverstoss, der mit einer Geldbusse geahndet werden könne. Die Bundesnetzagentur forderte von dem Pipeline-Betreiber Aufklärung darüber, wie er im Fall einer Inbetriebnahme die Auflagen erfüllen wolle.

Es sei nicht auszuschliessen, dass Nord Stream 2 noch vor einer Zertifizierung durch die Behörde in Kürze den Betrieb aufnehmen wolle. Die Nord Stream 2 AG kündigte derweil an, gegen eine Regulierung in Deutschland vor den Bundesgerichtshof zu ziehen.

Der Streit findet vor dem Hintergrund explodierender Gaspreise statt. Der Brennstoff ist knapp, die Nachfrage nach dem Höhepunkt der Corona-Krise riesig und die Konkurrenz für Europa durch zahlungswillige Staaten in Asien gewachsen. Durch die Pipeline soll Erdags von Russland nach Deutschland und weitere Länder transportiert werden. Eine Öffnung der Nord Stream 2 Pipeline würde nach Einschätzung von Experten allerdings bei den Preisen kaum für grosse Erleichterung sorgen. Der Gasbedarf sei enorm.

Es folgen einige Fakten zu der Röhre, durch die Gas von Sibirien nach Europa strömen soll:

DATEN

Die im September fertiggestellte Pipeline besteht aus zwei parallel laufenden Leitungssträngen von am Ende je rund 1200 Kilometern Länge. Sie soll von der Narwa-Bucht in Russland bis Lubmin in der Nähe von Greifswald reichen. Baubeginn war im Sommer 2018. Geplant war die Verlegung von 200.000 Rohren, die zum Teil von dem deutschen Hersteller Europipe kommen - einem Gemeinschaftsunternehmen der Stahlunternehmen Salzgitter und Dillinger Hütte mit Sitz in Mülheim an der Ruhr.

DIE VERLEGUNG

Die zwölf Meter langen Einzelrohre werden auf See verschweißt und mit Spezialschiffen auf dem Meeresboden verlegt. Dabei durchqueren sie Gebiete, die zu Russland, Finnland, Schweden, Dänemark, und Deutschland gehören. Den Betreibern zufolge können mit dem Gas rechnerisch 26 Millionen Haushalte versorgt werden.

DIE BETEILIGTEN FIRMEN

Die in der Schweiz ansässige Projektgesellschaft Nord Stream 2 gehört dem russischen Staatskonzern Gazprom. An der Finanzierung der Röhre beteiligen sich fünf westliche Unternehmen: der Düsseldorfer Versorger Uniper, Wintershall Dea, das österreichische Energieunternehmen OMV und Shell. Die Gesamtkosten waren auf 9,5 Milliarden Euro beziffert worden, von denen die eine Hälfte Gazprom übernimmt und die andere die europäischen Partner. OMV und Uniper sind nach früheren Angaben mit jeweils bis zu 950 Millionen Euro dabei.

DIE BEGRÜNDUNG FÜR DAS PROJEKT

Die Gasquellen in Deutschland und Europa versiegen in den kommenden Jahren zunehmend, weshalb immer mehr importiert werden muss. Gas gehört in Deutschland zu den wichtigsten Brennstoffen beim Heizen. Die wichtigsten Gaslieferanten für Deutschland sind neben Russland, Norwegen und die Niederlande. Die Eigenproduktion sinkt kontinuierlich.

DIE GEGNER

Kritiker befürchten eine immer grössere Abhängigkeit von Russland, das unter Präsident Wladimir Putin Gas auch schon als politisches Druckmittel eingesetzt hat. So hatte Putin im Streit mit der Ukraine bereits mehrfach den Gas-Hahn zugedreht. Einige der älteren Pipelines verlaufen von Russland durch die Ukraine, wofür der Nachbar Gebühren erhebt. Mit den Ostsee-Röhren umgeht Russland die alten Routen. Die Ukraine gehört zu den Gegnern von Nord Stream 2. Auch der frühere US-Präsident Donald Trump hatte sich dagegen gewandt. Sein Nachfolger Joe Biden lehnt das Projekt ebenso ab. Im Juli hatten die USA und Deutschland ihren Streit über die Ostsee-Pipeline jedoch mit einer Vereinbarung beigelegt.

(Reuters)