Die Kolumne "Gopfried Stutz" erschien zuerst im 

Ein Arbeitskollege musste kürzlich für eine Blick-Geschichte eine Grafik zum Thema Schenkkreis erstellen. Dabei ist ihm die Frage aufgetaucht, ob eigentlich die heutige Situation der AHV nicht einem Schenkkreis beziehungsweise einem Schneeballsystem gleichkomme. In einem Mail schrieb er mir, ein Schneeballsystem beziehungsweise Schenkkreise würden zwangsläufig kollabieren, weil der steigende Bedarf an neuen Mitgliedern nicht mehr gedeckt werden könne. "Verlagert sich die AHV durch die demografische Entwicklung nicht ebenso zu einem Trichtersystem hin, das mangels neuer Mitglieder aus dem Gleichgewicht gerät?"

Die Überlegungen des jungen Grafikers sind nicht falsch. Wenn Leute sagen, sie rechneten nicht damit, im Alter eine AHV-Rente zu erhalten, so fussen ihre Befürchtungen genau auf dieser Erkenntnis.

1948 entfielen auf einen Rentner 6,5 Erwerbstätige. 2035 werden es nur noch 2,3 Erwerbstätige sein, die die Renten eines AHV-Bezügers finanzieren müssen. So gesehen droht die Quelle des AHV-Fonds zu versiegen. Freilich geht gerne vergessen, dass der AHV-Fonds nicht alleine durch Lohnabzüge geäufnet wird. Über ein Viertel der Einnahmen stammen vom Bund und den Spielbanken, 2018 über elf Milliarden Franken.

Doch der grösste Unterschied zwischen dem Umlageverfahren bei Schenkkreisen und dem Umlageverfahren der AHV ist juristischer Natur: Das Mitmachen bei einem Schenkkreis ist freiwillig; die AHV dagegen ist obligatorisch.

 

Nicht wenige Leute äusserten etwa die Meinung, die AHV lasse sich in Zukunft wegen der genannten Bevölkerungsentwicklung nicht mehr finanzieren. Das ist natürlich Bullshit. Wir entscheiden an der Urne, ob die AHV mit höheren Lohnbeiträgen, mit einer höheren Mehrwertsteuer oder mit anderen Geldquellen alimentiert werden soll.

An originellen Ideen fehlt es nicht. 2002 konnten wir über die Volksinitiative "Überschüssige Goldreserven in den AHV-Fonds" abstimmen. Sie wurde nur knapp abgelehnt. Angenommen wurde dagegen vor einem halben Jahr die AHV-Steuer-Vorlage, bekannt als Kuhhandel. Sie verschafft der AHV jährlich über zwei Milliarden Franken an zusätzlichen Einnahmen. Und derzeit tingelt Pierre-Yves Maillard durchs Land, um eine alte Idee aufzufrischen. Der neue Präsident des Gewerkschaftsbundes und frühere Waadtländer Regierungsrat will die Gewinne der Nationalbank der AHV zukommen lassen.

Ja, die AHV funktioniert wie ein Schenkkreis, aber nur zu höchstens drei Vierteln. Der Anteil an Bundesgeldern kann fast beliebig ausgedehnt werden. Man muss nur wollen und an der Urne entsprechend abstimmen. 60 Prozent der Urnengänger sind über 50 Jahre alt. Sie werden schon dafür sorgen, dass der AHV das Geld nicht ausgeht und notfalls neue Quellen angezapft werden. Inwieweit der AHV das Geld ausgeht, ist nicht eine finanzielle Frage, es ist eine Frage des politischen Willens.