Der Urnengang vom 17. Mai 2020 ist abgesagt. Die Begrenzungsinitiative der SVP, das revidierte Jagdgesetz und die Vorlage über die Kinderdrittbetreuungskosten kommen später zur Abstimmung. Der Bundesrat begründet die Massnahme damit, dass kein eigentlicher Abstimmungskampf stattfinden kann. Wann die drei Vorlagen an die Urne kommen, ist noch unklar.

Es ist das zweite Mal überhaupt, dass der Bundesrat einen ganzen Urnengang absagt. 1951 fiel ein Abstimmungssonntag ins Wasser, weil die Maul- und Klauenseuche die Durchführung der Volksabstimmung in mehreren Kantonen verhinderte.

Fristen gestoppt

Der Bundesrat beschloss auch, für alle hängigen Volksinitiativen und fakultative Referenden die Sammel- und Behandlungsfristen während einer begrenzten Zeit auf Eis zu legen. Stillstehen sollen die Fristen auch bei den im Parlament hängigen Geschäften

Ausserdem empfiehlt der Bundesrat den Kantonen und Gemeinden ausdrücklich, Gemeindeversammlungen nur in zwingenden Fällen zu bewilligen. Einige Kantone haben bereits reagiert, bei anderen ist ein Entscheid ausstehend.

Hamsterkäufe stoppen

Als weitere Massnahme hat der Bundesrat beschlossen, alle rezeptpflichtigen und die gängigsten frei verkäuflichen Medikamente zu rationieren. Betroffen sind vor allem Schmerzmittel, fiebersenkende Medikamente und Medikamente gegen Reizhusten. Ab sofort gibt es davon nur noch eine Packung pro Einkauf. Damit will der Bundesrat Hamsterkäufe stoppen.

Die letzten Tage hätten gezeigt, dass die Kundschaft nach unnötigen Reserven verlange, sagte Stephanie Balliana, Sprecherin des Apothekerverbands Pharmasuisse. Gewisse Medikamente waren daher nicht mehr erhältlich. Die Verordnung des Bundesrats solle dafür sorgen, dass jene Leute die Medikamente bekämen, die sie tatsächlich brauchten, sagte Balliana.

Nach ihren Angaben gibt es keinen Mangel. Wegen der Nachfrage sei man in der Lieferkette nicht mehr nachgekommen. "Wir gehen davon aus, dass in kurzer Zeit in den Apotheken alles wieder verfügbar ist."

Keine Betreibungen

Von der dritten Notmassnahme des Bundesrats profitieren jene Unternehmen, die wegen der Coronavirus-Krise in akute Liquiditätsschwierigkeiten geraten sind: Bis zum 4. April darf in der Schweiz niemand betrieben werden. Weil danach gleich die Betreibungsferien beginnen, gilt der Rechtsstillstand faktisch bis zum 19. April.

Bis dann dürfen grundsätzlich keine Betreibungshandlungen gegen Schuldner vorgenommen werden. Dazu gehören etwa die Zustellung von Zahlungsbefehlen oder die Pfändung. Das Schuldbetreibungs- und Konkursrecht gibt dem Bundesrat ausdrücklich die Möglichkeit, Rechtsstillstand im Fall von Epidemien anzuordnen.

Er reagiere mit dem Rechtsstillstand auf den Umstand, dass durch die ausserordentlichen Massnahmen zahlreiche Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten geraten würden, schreibt er in einer Mitteilung. Die Anordnung des Rechtsstillstands bringe eine gewisse Entlastung. Es sei aber kein geeignetes Instrument, um den finanziellen Schwierigkeiten langfristig zu begegnen.

Hilfe für die Wirtschaft

Über zusätzliche Massnahmen für die Wirtschaft hat der Bundesrat am Mittwoch ebenfalls diskutiert. Entscheide sind noch nicht gefallen. Das soll an der ordentlichen Bundesratssitzung vom Freitag geschehen.

Letzten Freitag hatte der Bundesrat 10 Milliarden Franken für Sofortmassnahmen angekündigt. Einige der Unterstützungsmassnahmen müssen noch ausgearbeitet oder konkretisiert werden. In Prüfung ist etwa die Ausweitung der Kurzarbeitsentschädigung auf Arbeitnehmende mit befristeten, nicht kündbaren Arbeitsverhältnissen und Arbeitnehmende in Temporärarbeit. Ein Vorschlag soll am Freitag vorliegen.

Für Härtefälle, etwa bei Liquiditätsengpässen, soll für Unternehmen eine Milliarde Franken zur Verfügung stehen. Derzeit werden die Modalitäten dafür ausgearbeitet. Zudem dürfte der Bundesrat dem Parlament am Freitag Nachtragskredite im Zusammenhang mit den Bürgschaftsorganisationen und dem Exportförderer S-GE beantragen.

Schweizfonds

Inzwischen ist klar, dass diese Sofortmassnahmen nicht ausreichen werden, um die wirtschaftlichen Schäden zu begrenzen. Am Mittwoch traten die ETH-Wirtschaftsprofessoren Hans Gersbach und Jan-Egbert Sturm daher mit der Idee eines "Schweizfonds" an die Öffentlichkeit. Dieser soll mit 100 Milliarden Franken ausgestattet werden. Ziel ist es, die die Liquidität der Firmen sichern und Arbeitsplätze erhalten.

(AWP)