Umweltbehörden, Staatsanwälte, Autokäufer, Aktionäre und deren Anwälte wollen, dass der weltgrösste Autobauer und seine Manager dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

Mit unzähligen Klagen fordern Aktionäre und Autobesitzer Schadenersatz. Der frühere Konzernchef Martin Winterkorn und Ex-Audi-Chef Rupert Stadler wurden inzwischen angeklagt. Während in den USA, wo "Dieselgate" 2015 aufgedeckt wurde, bereits mehrere Prozesse abgeschlossen wurden, kommt die Prozesswelle in Deutschland gerade erst richtig ins Rollen. Ein Überblick:

Staatsanwaltschaft Braunschweig

Die umfangreichsten strafrechtlichen Ermittlungen in Deutschland laufen bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig, die für den Volkswagen-Konzernsitz in Wolfsburg zuständig ist. Die niedersächsischen Strafverfolger nahmen 41 aktuelle und ehemalige Manager ins Visier.

Winterkorn und vier weitere Führungskräfte wurden im April wegen schweren Betrugs und unlauteren Wettbewerbs und weiterer Tatvorwürfe im Zusammenhang mit der Dieselmanipulation angeklagt. Die Ermittlungen gegen die übrigen 36 Beschuldigten dauern an. Der Konzern selbst musste wegen Verletzung von Aufsichtspflichten eine Milliarde Euro Bussgeld zahlen.

Parallel ermitteln die Strafverfolger gegen Winterkorn, Konzernchef Herbert Diess, der zuvor VW-Markenchef war, sowie den Aufsichtsratsvorsitzenden und früheren Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch wegen Marktmanipulation. Dabei geht es um den Verdacht, dass Volkswagen die Anleger zu spät über den Dieselskandal informierte. Insidern zufolge könnten die Ermittlungen hierzu bald abgeschlossen werden.

Der Konzern hatte im September 2015 unter dem Druck der Umweltbehörden in den USA zugegeben, Dieselabgaswerte durch Software so manipuliert zu haben, dass die Autos die Stickoxid-Grenzwerte auf dem Prüfstand zwar einhielten, im normalen Strassenverkehr aber nicht.

Staatsanwaltschaft München

In München sind rund zwei Dutzend Mitarbeiter der Volkswagen-Tochter Audi im Visier der Strafverfolger. Ähnlich wie in Braunschweig geht es um den Verdacht, dass bei Audi Abgaswerte von Dieselmotoren manipuliert wurden, um gesetzliche Vorgaben zu umgehen. Die Ingolstädter gelten als Technikschmiede der Abgasmanipulation, von der konzernweit rund elf Millionen Dieselautos des VW-Konzerns betroffen sind.

Gegen den früheren Audi-Chef Rupert Stadler erhob die Staatsanwaltschaft nun Anklage wegen Betrugs und strafbarer Werbung. Er sowie zwei weitere Beschuldigte sassen vorübergehend in Untersuchungshaft. Auch sie haben die Vorwürfe der Ermittler zurückgewiesen. Wie die Konzernmutter Volkswagen wurde auch Audi mit einem Bussgeld zur Verantwortung gezogen: Der Autobauer zahlte auf Geheiss der Justiz 800 Millionen Euro.

Staatsanwaltschaft Stuttgart

Ähnlich wie bei Volkswagen wird beim VW-Grossaktionär Porsche SE der Verdacht der Marktmanipulation untersucht. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt auf eine Anzeige der Börsenaufsicht BaFin hin gegen den Vorgänger von Diess an der Konzernspitze, Matthias Müller, sowie Pötsch und Winterkorn auf Grundlage ihrer Funktion, die sie während des Dieselskandals bei der Holding der Familien Porsche und Piech hatten. Die Manager bestritten Verfehlungen.

Auch bei der VW-Tochter Porsche AG gehen die Ermittler dem Betrugsverdacht im Zusammenhang mit der Manipulation von Dieselabgasen nach. Betroffen sind drei Manager, einer davon hat vorübergehend in Untersuchungshaft gesessen. Porsche bekam wegen des Dieselskandals eine Geldbusse von 535 Millionen Euro aufgebrummt, weil die Ermittler eine Vernachlässigung der Aufsichtspflicht in einer Entwicklungsabteilung feststellten. Der Stuttgarter Sport- und Geländewagenbauer entwickelt zwar selbst keine Dieselmotoren, soll aber manipulierte Motoren von Audi übernommen haben.

Schadenersatzklagen

Neben den strafrechtlichen Ermittlungen muss sich Volkswagen vielen Zivilklagen von geschädigten Anlegern und Dieselhaltern auf Schadenersatz stellen. Das Oberlandesgericht Braunschweig verhandelt über die Musterklage der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka Investment wegen erlittener Kursverluste.

Insgesamt gibt es fast 2000 vergleichbare Fälle, die Forderungen summieren sich auf insgesamt neun Milliarden Euro. Wegen unterlassener oder fehlerhafter Kapitalmarktinformationen sind gegen die Porsche SE vor Stuttgarter Gerichten Klagen im Gesamtvolumen von fast 1,1 Milliarden Euro anhängig.

Ein wichtiger Prozess für Dieselautobesitzer, die sich geprellt fühlen, beginnt Ende September am Oberlandesgericht Braunschweig. In einem Musterverfahren wollen Hunderttausende Dieselbesitzer grundsätzlich klären lassen, ob sie Anspruch auf Schadenersatz haben. Bundesweit laufen zudem zahlreiche Verfahren, in denen Dieselbesitzer auf eigene Faust oder mit Hilfe von Rechtsdienstleistern Ansprüche durchsetzen wollen.

Ferner gehen mehrere ehemalige Manager arbeitsrechtlich gegen ihre von Volkswagen mit mutmasslichen Verfehlungen in der Dieselaffäre begründete Kündigung vor.

(Reuters)