"Die Ergebnisse sehen, ehrlich gesagt, sehr enttäuschend aus". Das ist das Fazit einer Studie über Anteil von Frauen in der Geschäftsleitung und im Verwaltungsrat von grösseren börsenkotierten Schweizer Gesellschaften. Die Studie "Swiss Equities ESG Update" wurde von der Bank Vontobel im Mai veröffentlicht.
Von den 100 untersuchten Unternehmen werden nur drei von Frauen als CEO geführt, nämlich Jeannine Pilloud bei Ascom, Magdalena Martullo-Blocher bei Ems-Chemie und Sabrina Soussan bei Dormakaba (die BKW mit CEO Suzanne Thoma befindet sich nicht unter den 100 Firmen). Nur minim höher ist der Anteil Frauen beim Verwaltungsratspräsidium. Bei den 100 Firmen leiten nur vier Frauen das Aufsichtsgremium.
Gesamthaft betrachtet beträgt die Frauen-Quote im Verwaltungsrat bei den untersuchten Gesellschaften 25 Prozent. Auf Stufe Geschäftsleitung sind es nicht einmal die Hälfte davon, nämlich bloss 12 Prozent. Hier stechen Landis+Gyr und Ascom (mit allerdings bloss 2 Personen im Top-Management) mit einem Anteil von 50 Prozent hervor. Bei den Verwaltungsräten von Adecco, GAM, und Zurich Insurance sind mindestens die Hälfte der Mitglieder Frauen (siehe Tabelle unten).
Bei sieben von 100 Firmen sitzen im Top-Management und im Aufsichtsgremium ausschliesslich Männer: Nämlich bei Also, Arbonia, Bobst, Investis, Kardex, Lalique, Pierer Mobility und VZ Holding. Geschäftsleitungen sind zum Teil noch immer reine, grosse Männerclubs. So sitzen im Top-Management von VZ 10 Männer und bei DKSH deren 13. Der Genfer Warenprüfkonzern SGS, notabene Mitglied des Swiss Market Index, bringt es gar fertig, in seine 18-köpfige Konzernleitung keine einzige Frau unterzubringen.
Börsenkotierte Schweizer Unternehmen mit hohem Anteil Frauen in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat (Auswahl)
Firmenname | Frauenanteil Geschäftsleitung (in %) | Frauenanteil Verwaltungsrat (in %) |
Adecco | 20 | 50 |
Ascom | 50 | 17 |
Bachem | 20 | 40 |
Credit Suisse | 17 | 42 |
Emmi | 25 | 44 |
GAM | 0 | 57 |
Givaudan | 14 | 38 |
Holcim | 30 | 25 |
Landis+Gyr | 50 | 13 |
Lonza | 38 | 29 |
Partners Group | 38 | 25 |
Roche | 40 | 25 |
Siegfried | 29 | 33 |
Tecan | 36 | 14 |
Zurich | 33 | 55 |
Quelle: Bank Vontobel
Auffällig ist ist auch die hohe Anzahl der Firmen, die nur eine Frau in beiden Führungsgremien haben: "Einzelmasken" sind Frauen bei Allreal, Bell, Dätwyler, Inficon, Jungfraubahnen, Komax, Kudelski, Kühne+Nagel, Lem, Mobilezone, Sensirion, VAT, Zehnder und Zug Estates.
Die Studienresultate der Bank Vontobel decken sich mit anderen Untersuchungen zu Frauenvertretungen in Firmenspitzen, auch im nichtkotierten Bereich. Im Jahr 2020 wurden 2,4 Prozent der analysierten Schweizer Unternehmen von weiblichen Chefs geführt, so das Beratungsunternehmen Egon Zehnder. Ihr Anteil liegt damit klar unter dem Durchschnitt Westeuropas (5,7 Prozent) oder der USA (5,3 Prozent).
Dabei müssten viele Firmen umdenken: Grosse, börsenkotierte Unternehmen mit Sitz in der Schweiz müssen mindestens 30 Prozent der Verwaltungsratsposten mit Frauen besetzen, für Geschäftsleitungen gilt nach einer entsprechenden Änderung des Aktienrechts ein Wert von 20 Prozent. Die Unternehmen haben zur Umsetzung fünf respektive zehn Jahre Zeit.
Hoher Frauenanteil im Verwaltungsrat konnte CS-Skandale nicht verhindern
Ob die Firmen mit hohem Frauenanteil nun zu "besseren" Firmen werden, mehr Unternehmenserfolg haben oder langfristig die höhere Aktienkursperformance erzielen, ist Gegenstand von vielen Untersuchungen. Die Studie "CS Gender 3000" der Credit Suisse - untersucht wurden 3000 Unternehmen in mehr als 56 Ländern im Jahr 2020 - zeigte etwa, dass die Steigerung des Aktienkurses umso besser war, je höher der Anteil an Frauen in den Führungsgremien des entsprechenden Unternehmens lag.
Allerdings hat - ausgerechnet - ein hoher Frauenanteil von 42 Prozent im Verwaltungsrat derselben Credit Suisse die Greensill- und Archegos-Skandale 2020 und 2021 nicht verhindern können. Ebenso ist die Kursperformance der CS in den letzen Jahren lamentabel.
Die Praxis zeigt noch andere Gegenbeispiele: Der Verwaltungsrat von GAM weist als eine der ganz wenigen börsenkotierten Schweizer Gesellschaften in der Vontobel-Studie einen Frauenüberhang aus. Doch aus Aktionärssicht ist der Vermögensverwalter ein einziges Trauerspiel. Die Aktie war im Jahr 2015 noch 22 Franken wert, heute nach diversen Skandalen etwas mehr als 2 Franken.
Dennoch sollten Investorinnen und Investoren den Frauenanteil in den Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten bei ihren Anlageentscheiden im Auge behalten. Schon aus Image- und Reputationsgründen sind reine Männerclubs in den Führungsgremien in Zukunft nicht mehr haltbar - aus Sicht der Corporate Governance sowieso nicht. Frauen, die mit ihrem Geld zunehmend in die Anlagewelt drängen, werden um diese Firmen zudem einen weiten Bogen machen.
Die finanzielle Kraft von ESG
"Schwerwiegender" ist aber das Kürzel ESG ("Environment, Social, Governance" oder deutsch: "Umwelt, Soziales und Unternehmensführung"). Die meisten kapitalschweren Investmentgesellschaften mit ihren Anlagefonds und ETF (Exchange Traded Funds) beinhalten in ihren ESG- und Nachhaltigkeitskriterien für Aktien-Anlagen einen Mindestanteil von Frauen in den Führungsremien der Firmen.
Wer dies als Firma nicht erfüllt, in den fliessen keine Anlagegelder - mit wahrscheinlichen Folgen für den Aktienkurs. In international ausgerichteten ESG-Aktienportfolio ist der Anteil von Unternehmen mit einem erhöhten Anteil an Frauen in Führungsgremien höher als in normalen Aktienkörben, wie Studien gezeigt haben.
Die Investmentströme dürfen nicht unterschätzt werden. Laut dem Beratungsunternehmen PwC werden bis 2025 57 Prozent oder 7,6 Billionen Euro des Investmentfondsvermögens in Europa in Fonds gehalten, welche ESG-Faktoren berücksichtigen - verglichen mit rund 15 Prozent Ende 2019.
"Es gibt noch viel zu tun in den nächsten Jahren", schreiben die Autoren der Vontobel-Studie zum Frauenanteil in den Schweizer Unternehmen. "Es sei denn, die Unternehmen wollen ausführlich erklären oder sich gar dafür entschuldigen, warum sie keine weiblichen Führungskräfte finden."
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