Experten gehen davon aus, dass vor allem mittelgrosse nationale Fluggesellschaften vor einer Übernahme stehen könnten. Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagte bei der Übernahme von 41 Prozent an der ITA vergangene Woche, die Konsolidierung in der Branche komme voran und sei auch nötig. Erfolg hänge auch von Grösse ab, betonte er.
Gerade die mittelgrossen Gesellschaften, gebeutelt durch die Pandemie, kämpfen mit der Konkurrenz durch die Billigflieger. In Portugal wurde TAP von der Regierung gestützt, in Skandinavien ringt SAS damit, die Insolvenz hinter sich zu lassen. Beide Firmen stehen unter dem Druck von Billig-Konkurrenten wie Ryanair oder Wizz Air. "Man hat eine Menge Fluggesellschaften, die nur deswegen existieren, weil man glaubt, dass man eine nationale Airline haben muss - und diese finden das Leben wahrscheinlich ziemlich schwierig", sagte James Halstead, Partner bei der Beratungsgesellschaft Aviation Strategy. Für die TAP haben sich inzwischen die Lufthansa, Air France-KLM und die British-Airways-Mutter IAG in Stellung gebracht, wenn die portugiesische Regierung sich von ihren Anteilen trennt.
Fachleute gehen davon aus, dass sich der Markt in den kommenden Jahren aufspalten wird: Auf der einen Seite drei grosse Fluggesellschaften um Lufthansa, Air France-KLM und IAG, die kleinere Rivalen aufkaufen werden - auf der anderen Seite Billigflug-Giganten wie Ryanair. "Der Lufthansa-ITA-Deal folgt der Logik in der europäischen Branche der vergangenen 25 Jahre, welche eine zunehmende Integration der regionalen und nationalen Gesellschaften beinhaltet", sagte Andrea Giuricin, Experte bei TRA Consulting.
Die kleineren Gesellschaften dürften sich dann entweder einer der drei grösseren Gruppen anschliessen oder verschwinden. "Sie werden nicht wachsen können, weil das andere tun, und deswegen verlieren sie an Attraktivität und trudeln nach unten bis sie sterben", sagte Aviation-Strategy-Experte Halstead. Daten von TRA weisen darauf hin, dass Europa bei der Konsolidierung den USA hinterhinkt: In Europa kamen demnach 2018 die fünf grössten europäischen Gesellschaften - einschliesslich Ryanair - auf einen Marktanteil von 50 Prozent. In den USA teilten sich der Beratungsgesellschaft zufolge die fünf grössten Anbieter 86 Prozent des Marktes auf.
Allerdings wird sich die Lufthansa auch daran messen lassen müssen, wie erfolgreich sie bei der Sanierung der ITA ist. Alitalia flog viele Jahre Verluste ein und musste vom Staat mit Milliarden gestützt werden. Allerdings sind Europa-Flüge von und nach Italien fest in der Hand der Billigflieger Ryanair oder Easyjet - und der Wettbewerb dürfte weiter zunehmen. Dennoch ist für die italienische Regierung der Einstieg der Lufthansa der einzige Ausweg für die ITA: "Die Aussicht, in einem Markt wie der Luftfahrt allein zu bleiben, ist eine reine Illusion", sagte Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti.
(Reuters)