Nutzerinnen und Nutzer grosser Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen sollen in der Schweiz mehr Rechte erhalten. Der Bundesrat will grosse Plattformen gesetzlich regulieren. Das gab er Anfang April 2023 bekannt.
Geplant war ursprünglich, die entsprechende Vernehmlassungsvorlage bis März 2024 zu verabschieden. Das Geschäft wurde aber seither mehrmals nach hinten verlegt. Ende Januar 2025 teilte die Bundeskanzlei mit, dass der Bundesrat das Geschäft zu einem späteren Zeitpunkt behandeln werde.
Keine Begründung für Verzögerung
Am Mittwoch war das Geschäft erneut ein Thema im Bundesrat, wie die interimistische Bundesratssprecherin Ursula Eggenberger auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA schrieb. «Das Geschäft wurde verschoben. Der Bundesrat hat dazu keinen Entscheid getroffen. Er wird das Geschäft zu einem späteren Zeitpunkt behandeln», hiess es.
Das ist die offizielle Sprachregelung. Mehrere gut informierte Quellen erklärten Keystone-SDA hinter vorgehaltener Hand, dass der schwelende Zollstreit mit den USA der neueste Grund für die Verzögerung sei. Namentlich das Wirtschaftsdepartement von Guy Parmelin und das Aussendepartement von Ignazio Cassis wollten es sich mit US-Präsident Donald Trump nicht verspielen.
Die beiden angesprochenen Departemente teilten auf Anfrage lediglich mit: «Die Sitzungen des Bundesrates sind vertraulich, weshalb wir uns zu Ihren Fragen nicht äussern.» Auch Bundesratssprecherin Eggenberger sagte, angesprochen auf den Zusammenhang der Verschiebung des Geschäfts und des Zollstreits mit den USA: «Ich kann keine Auskunft geben, auch nicht zu den Inhalten der Gespräche.» Sie könne erst darüber informieren, wenn der Entscheid getroffen sei.
«Bundesrat kuscht vor Trump»
Dem Vernehmen nach hat der Bundesrat das Geschäft auf unbestimmte Zeit verschoben. Medienminister Albert Rösti, der sich für eine sanfte Regulierung von Kommunikationsplattformen einsetzt, wollte gemäss mehreren Quellen einen Termin festsetzen. Der Bundesrat traf aber offenbar keinerlei Beschlüsse zum Thema. Es sei angesichts der angespannten Lage mit den USA nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
Nicht gut an kommt die Verschiebung des Geschäfts bei Befürwortern einer Regulierung von Tech-Plattformen. «Der Bundesrat bricht ein Sicherheitsversprechen», sagte der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult gegenüber den Tamedia-Onlineportalen. Dass der Bundesrat nun auf sein Vorhaben verzichte, sei «skandalös». Pult sprach von «vorauseilendem Gehorsam».
Die Junge Mitte zeigte sich in einer Mitteilung enttäuscht über die erneute Verzögerung bei der Regulierung von Social-Media-Plattformen durch den Bundesrat. «Der Bundesrat kuscht vor Trump, statt die Jugend und unsere Demokratie zu schützen, die Rechte der Bevölkerung zu stärken und die Transparenz zu erhöhen. Ist das Souveränität?», liess sich Junge-Mitte-Präsident Marc Rüdisüli zitieren.
Kritiker einer Regulierung warnen dagegen vor Zensur und einem Eingriff in die Meinungsfreiheit. Bürgerinnen und Bürger seien sehr wohl in der Lage, Beiträge auf Kommunikationsplattformen selbst einzuordnen, argumentieren sie. Eine Demokratie müsse auch fragwürdige Inhalte auf sozialen Medien aushalten können.
Mildere Regeln als in der EU
Weiter ist die EU. Dort gilt seit 2022 der sogenannte Digital Services Act (DSA), um Menschen auch im digitalen Raum besser zu schützen. Konkret müssen grosse Plattformen und Suchmaschinen Nutzenden die Möglichkeit geben, illegale Inhalte online zu melden. Wenn sie Inhalte löschen oder Accounts sperren, müssen sie die Gründe dafür transparent machen. Tun sie dies nicht, drohen ihnen Geldstrafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.
Gemäss den vom Bundesrat vor zwei Jahren verabschiedeten Eckwerten sind in der Schweiz mildere Regeln geplant als in der EU. Grosse Plattformen sollen in der Schweiz eine Kontaktstelle und eine Rechtsvertretung bezeichnen müssen. Aufrufe zu Hass und Gewalt sowie Darstellungen von Gewalt sollen Nutzer einfach melden können.
Wenn Inhalte gelöscht oder Konten gesperrt worden sind, sollen die Betroffenen bei der Plattform eine Überprüfung der Massnahme verlangen können. Zudem sollen die Plattform-Betreiber eine unabhängige Schweizer Schlichtungsstelle finanzieren müssen.
(AWP)