Schwellenländer-Währungen werden Experten zufolge den krisenfesten Dollar als Bezahlmittel mit dem grössten Potenzial im kommenden Jahr vom Thron stossen. Gründe dafür sehen sie unter anderem in den voraussichtlich behutsameren US-Zinserhöhungen sowie der Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft. Davon könnten neben dem chinesischen Yuan auch Devisen aufstrebender Volkswirtschaften wie die indische Rupie oder der brasilianische Real profitieren. "Die Zentralbanken der wichtigsten Schwellenländer haben an Glaubwürdigkeit gewonnen", sagt Benjamin Melman, Investmentchef der Privatbank Edmond de Rothschild. Sie hätten ihre Geldpolitik zuletzt stark gestrafft. Wenn die US-Notenbank Fed bei ihren Zinserhöhungen vom Gaspedal gehe, könnte eine Aufwertung der Schwellenländer-Währungen zügig folgen.

Auch Investoren sind nach den turbulenten Monaten an den Börsen wieder risikofreudiger und gehen verstärkt auf Renditejagd. Einige Schwellenländer bieten dabei möglicherweise attraktive Gelegenheiten: Während die inflationsbereinigte Verzinsung der zehnjährigen US-Staatsanleihen bei rund ein Prozent liegt, beträgt diese zum Beispiel für das brasilianische Pendant etwa sechs Prozent.

Alle Augen auf die Fed

Bereits Mitte Dezember hatte die Fed Tempo bei den Zinsanhebungen herausgenommen und die Zinsen um 0,50 Prozentpunkte erhöht. Zuvor hatte sie die Zinsen vier Mal in Folge um 0,75 Prozentpunkte angehoben.

Nach einem Ende September erreichten 20-Jahres-Hoch hat der der Dollar gegenüber einem Korb der wichtigsten Währungen mittlerweile einen Rückgang von rund neun Prozent verzeichnet. Auf den Terminmärkten setzten Händler nach Berechnungen von Reuters im November zum ersten Mal seit 16 Monaten auf einen Rückgang statt auf eine Stärkung der US-Währung. Im selben Monat verzeichnete der Schwellenländer-Währungs-Index den stärksten Zuwachs in über sieben Jahren.

Antrieb aus China

In China setzen die Anleger auf eine Wiedereröffnung der Wirtschaft nach dem Abrücken von der strikten Null-Covid-Politik. Erwartet werde, dass der Yuan sich im kommenden Jahr gegenüber dem Dollar mindestens stabilisiere, sagt Rothschild-Experte Melman. "Das wird sich sehr positiv auf andere Währungen auswirken." So werde der thailändische Bath nach aller Wahrscheinlichkeit von einer Eröffnung in China durch steigende Tourismuszahlen profitieren, prognostiziert Carlos Fernandez-Aller, Leiter des Schwellenländer-Teams bei der Bank of America. Die Öffnung der chinesischen Wirtschaft wird aber nicht nur in der direkten Nachbarschaft, sondern auch in anderen Teilen der Welt spürbar sein. Viele lateinamerikanische Länder exportieren grosse Mengen an Waren nach China. So ist Brasilien beispielsweise ein wichtiger Rohstofflieferant. "Der Real ist an die chinesische Wirtschaft gekoppelt", so Melman.

Dennoch werden auch Warnungen vor einem frühzeitigen Abgesang auf die Anti-Krisen-Währung Dollar laut. "Eine weltweite Konjunkturabschwächung würde die Nachfrage nach sicheren Häfen stärken", sagt Aaron Hurd, Portfoliomanager bei State Street Global Advisors. In der Euro-Zone ist laut Vermögensverwalter Amundi 2023 mit einer Rezession zu rechnen. Vor allem das erste Quartal werde Anlegern zusetzen und damit für eine Stärkung des Dollars sorgen, sagt Thomas Kruse, Chefanleger bei Amundi Deutschland. In der zweiten Jahreshälfte würden dann vor allem die Währungen der Schwellenländer interessant werden.

(Reuters)