Der heiser klingende Biden geriet in der auf 90 Minuten angelegten Debatte mehrfach ins Stocken, musste sich einige Male selbst korrigieren und wirkte vor allem zu Beginn bisweilen deutlich zaghafter als sein Rivale. Trump nutzte den Auftritt vor einem Millionenpublikum an den Fernsehschirmen zur besten US-Sendezeit am Donnerstagabend, um seinem Kontrahenten vorzuwerfen, die USA zugrunde zu richten. Bidens schwache Führung sei Schuld daran, dass in der Ukraine und im Gazastreifen Kriege herrschten.

Beide Kandidaten überzogen sich mit Beleidigungen und bezichtigten sich gegenseitig, Lügner und Kriminelle sowie der jeweils schlechteste Präsident aller Zeiten gewesen zu sein. An einer Stelle wetteiferten Trump und Biden darum, wer der bessere Golfspieler sei.

Noch während der Debatte wurde in Bidens Lager Enttäuschung laut über den Auftritt des 81-Jährigen, der vor allem beweisen musste, dass er geistig und körperlich fit genug ist für eine weitere Amtszeit. Ein Stratege der Demokraten, der mit Biden während des Wahlkampfs vor vier Jahren zusammengearbeitet hatte, sprach von einer Katastrophe. Das Präsidialamt erklärte während des Duells, Biden sei erkältet.

Trump kostete die Verhaspler seines Kontrahenten sichtlich aus. Als Biden an einem Punkt nicht richtig zu verstehen war, griff der 78-jährige Trump das auf und betonte, er wisse nicht, was Biden zum Ende des Satzes gesagt habe.

Die vom Fernsehsender CNN in Atlanta ausgerichtete Debatte deckte eine grosse Bandbreite von Themenfeldern ab. Biden und Trump stritten unter anderem über den Zustand der Wirtschaft, Abtreibung, Klima, Sozial- und Krankenversicherungen, die Stellung der schwarzen Bevölkerung und die Opioid-Krise in den USA. Besonders hitzig wurde es beim Thema Einwanderung.

Ähnlich wie bei seinen Wahlkampfauftritten feuerte Trump eine ganze Breitseite von Falschbehauptungen ab, etwa dass Migranten eine Verbrechenswelle ausgelöst hätten, die Demokraten Infantizide unterstützten und er selbst die Wahl 2020 in Wahrheit gewonnen habe. Er warnte die Wähler davor, dass Biden sie in einen dritten Weltkrieg führen werde. Zugleich versprach er Steuerkürzungen, sollte er die Wahl im November gewinnen, und eine rasche Beendigung des Kriegs in der Ukraine noch bevor er vereidigt werde.

Biden kam nur langsam aus den Startlöchern, fing sich dann aber etwa zur Hälfte der Debatte, als er verstärkt auf Attacke umschaltete. So brachte er Trumps kürzliche Verurteilung in dem Prozess um eine Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels ins Spiel. Immer wieder warf er Trump zudem vor, zu lügen. Er habe noch nie so viel Unsinn gehört, entgegnete er das ein oder andere Mal auf Trumps Ausführungen. Gleichzeitig verteidigte Biden seinen Kurs in der Wirtschaftspolitik. Er räumte ein, dass durch die Inflation die Preise während seiner Amtszeit erheblich stiegen. Aber er verwies auch darauf, dass er nach der Corona-Pandemie «die Dinge wieder eingerenkt» habe.

Es war das erste direkte Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten seit Oktober 2020. Zu Bidens Amtseinführung im Januar 2021 war Trump nicht erschienen. Ein zweites TV-Duell ist für September geplant. Die Wahl findet am 5. November statt. In Umfragen lagen Biden und Trump vor der Debatte nahezu gleichauf.

(Reuters)