WAS KOMMT NACH DEM JA?
Die Efas-Vorlage («Einheitliche Finanzierung ambulant und stationär») bringt einheitliche Finanzierungsregeln: Die Kantone sollen für alle Behandlungen und Pflegeleistungen mindestens 26,9 Prozent (nach Abzug von Franchise und Selbstbehalt der Patienten) und die Kassen über die Prämien höchstens 73,1 Prozent bezahlen. Umgesetzt werden soll die von den Kantonen unterstützte einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Behandlungen ab 2028.
WARUM SPÄTER IN DER LANGZEITPFLEGE?
Die Langzeitpflege hingegen - Heime und Spitex-Dienste - erhält für die Umsetzung der neuen Vorgaben bis 2032 Zeit. Denn bevor das neue Modell eingeführt wird, müssen für Pflegeleistungen einheitliche Tarife ausgehandelt werden, und diese müssen die Kosten decken. Der Antrag, vor Einheitsfinanzierung in der Pflege die Pflegeinitiative voll umzusetzen, kam im Parlament nicht durch.
WIE WIRD HEUTE WAS FINANZIERT?
Von der Grundversicherung gedeckte Gesundheitsleistungen werden heute unterschiedlich finanziert. Stationäre Leistungen - wenn der Patient oder die Patientin im Spital übernachtet - bezahlen die Kantone zu 55 Prozent, aus Steuermitteln. 45 Prozent übernimmt die Krankenkasse. Für ambulante Behandlungen - wenn Patienten noch am Tag des Eingriffs nach Hause gehen - kommt die Kasse allein auf. In der Langzeitpflege - zum Beispiel in einem Heim - bezahlen die Patienten und die Kassen je einen fixen Beitrag an die Pflegekosten. Den Rest tragen je nach Kanton die Kantone und/oder die Wohngemeinde. Im Mittel übernahmen 2022 die Krankenkassen rund 54 Prozent der Pflegekosten und die Kantone 46 Prozent.
VERLAGERN SICH KOSTEN?
Der neue Kostenteiler bezieht sich auf den Durchschnitt der Referenzjahre 2016 bis 2019. Bezogen auf diese vier Jahre ist die Umstellung auf das Efas-Modell für die Kassen und die Kantone unter dem Strich kostenneutral. Weil sich der Trend zu mehr ambulanten Behandlungen seither fortgesetzt hat und sich weiter fortsetzen dürfte, erwarten die Befürworter eine Verschiebung der Gewichte zugunsten der Prämienzahlenden. Die Rede ist von rund zwei Milliarden Franken bei der Einführung. Auch die Koordination von Behandlungen - sie ist besonders für Chronisch- und Mehrfachkranke wichtig - geht heute vorwiegend zulasten der Kassen. Auch hier sollen sich die neuen Vorgaben auf die Prämien entlastend auswirken.
WAS ÄNDERT SICH FÜR PATIENTINNEN UND PATIENTEN?
Von aussen gesehen nicht viel. Patientinnen und Patienten sollen aber vom Trend zu mehr ambulanten Behandlungen profitieren können. Die Schweiz verzeichnet heute weniger ambulante Behandlungen als vergleichbare andere Staaten. Sind mehrere Leistungserbringer an einer Behandlung beteiligt, sollen die Absprachen dank finanzieller Anreize besser werden. In gewissen Fällen kann es laut Bundesrat sein, dass die Kostenbeteiligung der Patienten für stationäre Behandlungen im Vergleich zu heute höher wird.
WOHIN GEHT DIE ENTWICKLUNG?
Wegen medizinischer Fortschritte können immer mehr operative Eingriffe ohne Spitalaufenthalt vorgenommen werden. Das senkt unter dem Strich die Kosten, ist aber heute aus Sicht der Krankenkassen nicht attraktiv und schlägt sich mit den noch geltenden Finanzierungsregeln auf die Prämien nieder. In der Schweiz leben immer mehr ältere Menschen, die im Alltag auf Pflege und Hilfe angewiesen sind. Von Jahr zu Jahr höher sind nicht nur die Gesundheitskosten, sondern auch die Krankenkassenprämien.
WER UNTERSTÜTZTE DIE VORLAGE?
Bundesrat und Parlament unterstützten die 2009 von der damaligen Aargauer CVP-Nationalrätin Ruth Humbel (AG) angestossene Vorlage. Auch die Kantone trugen sie mit. Im Parlament stimmten alle Fraktionen mehrheitlich zu. Ein Ja empfahlen SVP, Mitte, GLP und EVP. Die Grünen beschlossen Stimmfreigabe, ebenso der Zentralvorstand des Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner und der Arbeitnehmenden-Dachverband Travail Suisse.
WIE REAGIERTEN DIE BEFÜRWORTER?
Die Befürworter interpretieren das Ja als Beweis, dass Reformen im Gesundheitswesen möglich sind. Nun würden bestehende Fehlanreize beseitigt. Der Spitalverband H+ schrieb, für die Spitäler sei diese Reform entscheidend, um die politisch geforderte und medizinisch sinnvolle Verschiebung in den ambulanten Bereich voranzutreiben. Der Krankenkassenverband Curafutura - mit den Kassen CSS, Helsana und Sanitas - sprach von einem «historischen Ja» für die Patienten, aber auch das Gesundheitssystem und die Prämienzahler. Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren warnte vor einer Wunderpille, erwartet aber einen Nutzen für die Patientinnen und Patienten sowie für die Prämienzahlerinnen und -zahler.
WER WAREN DIE GEGNER?
Die Gewerkschaft VPOD ergriff das Referendum gegen die Vorlage; für ein Nein engagierten sich auch der Gewerkschaftsbund und die Gewerkschaft Unia sowie die SP. Im Parlament gab es Nein-Stimmen zur Vorlage aus den Fraktionen von SP, Grünen und SVP.
WIE REAGIERTEN DIE GEGNER?
Die Gegner warnten, die Prämien könnten wegen des Einbezugs der Langzeitpflege steigen. Der Gewerkschaftsbund befürchtet höhere Prämien und mehr Druck auf Pflegequalität und Personal. Die Folgen der Efas-Umsetzung seien nicht absehbar, warnte die Gewerkschaft Unia. Die Grünen forderten einen weiteren Systemwechsel, und zwar von den Kopfprämien für die Grundversicherung zu einkommens- und vermögensabhängigen Prämien.
WIE ENDETE DIE ABSTIMMUNG?
Rund 1'302'500 Stimmende legten am Sonntag ein Ja ein und 1'140'800 ein Nein. Das bedeutet einen Ja-Anteil von 53,3 Prozent. Die französischsprachigen Landesteile sagten überwiegend Nein zur Vorlage, wurden aber von der deutschsprachigen Bevölkerung überstimmt. Die Stimmbeteiligung lag bei knapp 45 Prozent. Die Befürworterseite hatte für die Kampagne mehr Mittel budgetiert als die Gegnerinnen und Gegner.
KOMMEN WEITERE REFORMEN?
Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider sprach von einem wichtigen Reformschritt. Es müssten aber noch weitere Reformen folgen. Eine davon sei die 2021 angenommene Pflegeinitiative. Deren Umsetzung soll die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern. Bereits im Parlament diskutiert werden die Kosten dämpfende Massnahmen im Gesundheitswesen. Und vor rund zwei Wochen einigten sich die Akteure an einem runden Tisch auf gemeinsame Sparziele.
(AWP)