Batterie-Fabriken in Europa sollten ein Stützpfeiler der Bemühungen sein, die Wende zur E-Mobilität auf dem Kontinent voranzubringen - und Chinas Vorherrschaft bei Elektrofahrzeugen zu brechen. Wie glücklos die Strategie ist, zeigt der Blick auf die Zahlen: Elf von 16 geplanten Batteriefabriken unter europäischer Führung wurden laut einer Bloomberg-Analyse verschoben oder sind gescheitert. Jüngste Negativschlagzeilen machte die Insolvenz des schwedischen Unternehmens Northvolt, zu dessen Investoren Volkswagen und BMW gehören.
Dagegen verlaufen 10 der 13 europäischen Projekte asiatischer Hersteller wie Contemporary Amperex Technology aus China und Samsung SDI aus Südkorea planmässig. Damit dürfte ihr Einfluss in diesem Sektor weiter zunehmen. Sollten sich die geopolitischen Konflikte verschärfen, dürften die westlichen Automobilhersteller im Wettbewerb das Nachsehen haben.
China ist inzwischen der weltgrösste Hersteller von E-Autos und deren Komponenten. Unternehmen wie CATL und BYD haben nicht nur einen jahrelangen Technologievorsprung. Sie verkaufen Batterien auch zu unschlagbaren Preisen.
Europäische Wettbewerber haben dagegen Schwierigkeiten, ihre Produktion hochzufahren. Der schleppende Absatz von Elektroautos hat zudem dazu geführt, dass Kunden aus der Automobilindustrie ihre Elektrifizierungspläne zurückgeschraubt und Batteriebestellungen storniert haben.
«Das Versäumnis, inländische Fertigungskapazitäten für Batterien aufzubauen, bedroht die Existenz der Automobilindustrie in Europa», sagte Andy Palmer, ehemaliger Aston-Martin-Chef. Ohne eine robuste Lieferkette für Elektrofahrzeuge könnten Autohersteller ihre Produktion in Regionen mit etablierten Batterieindustrien verlagern. Das könnte zu potenziellen Fabrikschliessungen und erheblichen Arbeitsplatzverlusten führen, so Palmer.
Der Aufbau einer europäischen Industrie war von Anfang an ein riskantes Unterfangen. China liefert etwa 80 Prozent der Lithium-Ionen-Batterien weltweit und beheimatet laut BloombergNEF sechs der 10 grössten Hersteller von Batterien für Elektroautos. Die rasante Expansion des Landes — Chinas Zellproduktions-Kapazität ist bereits viel höher als die weltweite Nachfrage nach Elektrofahrzeugen — hat die Preise gedrückt und die Messlatte für neue Marktteilnehmer höher gelegt. Auch die USA und Kanada versuchen, Investitionen anzulocken. Der Wettbewerb um die Versorgungsdominanz nach dem Ende des Verbrennungsmotors verschärft sich.
Mercedes-Benz und Stellantis — der niederländische Autohersteller kämpft mit sinkenden Umsätzen und hat Anfang des Monats seinen CEO entlassen — haben die Arbeiten an zwei Batteriefabriken in Deutschland und Italien eingestellt, da ihr Gemeinschaftsunternehmen ACC seine Ambitionen zurückgeschraubt hat.
Stellantis und CATL kündigten am Dienstag an, bis zu 4,1 Milliarden Euro in den Bau einer Batteriefabrik im spanischen Saragossa investieren zu wollen. Das Projekt ist zwar ein Segen für die europäischen Bemühungen um die Lieferkette von Elektrofahrzeugen, aber ohne die Technologie des chinesischen Partners wäre es wahrscheinlich nicht realisierbar.
Northvolt hatte ehrgeizige Pläne für Fabriken in Schweden, Deutschland und Kanada
Der Volkswagen-Konzern, der in Deutschland beispiellose Kostensenkungen vorantreibt, hat signalisiert, dass es länger dauern könnte, bis seine europäischen Batteriefabriken ihre volle Kapazität erreichen. Das britische Batterie-Startup Britishvolt ging im vergangenen Jahr pleite, bevor es seine geplante 3,8 Milliarden Pfund schwere Fabrik in Blyth eröffnen konnte. Und dann ist da noch Northvolt, das mit einem Auftragsvolumen von rund 55 Milliarden Dollar für Batteriezellen als Europas grösste Hoffnung auf einen lokalen Champion galt.
Das von ehemaligen Tesla-Managern gegründete Unternehmen hatte ehrgeizige Pläne für Fabriken in Schweden, Deutschland und Kanada. Es hatte jedoch Schwierigkeiten, die Produktion hochzufahren und gleichzeitig die Kosten im Griff zu behalten. Im Juni stornierte BMW aufgrund von Qualitätsproblemen einen Auftrag über 2 Milliarden Euro. Drei Monate später entliess Northvolt ein Fünftel seiner Belegschaft und schloss zwei Produktionsstätten für Kathodenmaterial in Schweden — Massnahmen, die die Investoren nicht gerade beruhigten. Der Hersteller beantragte letzten Monat in den USA Insolvenzschutz, nachdem er mehr als 5,8 Milliarden Dollar Schulden angehäuft hatte.
Während Northvolt nach Partnern sucht, um weitermachen zu können, sagen Experten, dass nur ein erfahrener asiatischer Hersteller die technologischen Defizite beheben kann. Ein Scheitern würde es einem anderen europäischen Newcomer sehr schwer machen, aufzuholen. CATL beschäftigt allein in Forschung und Entwicklung 21.000 Ingenieure – das ist etwa viermal so viel wie die gesamte Belegschaft des schwedischen Unternehmens ab Januar sein wird.
Die Schwierigkeiten von Northvolt seien «sehr bedauerlich«, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz vergangene Woche in Berlin. »Wenn wir zukünftig Fahrzeuge haben wollen, die elektrisch fahren, dann müssen wir wollen, dass eine strategische Komponente der künftigen Fahrzeuge auch in Europa hergestellt wird.»
Europa verpasst den Anschluss teilweise, weil seine Autohersteller nur langsam auf Batterietechnologie umsteigen. VW, BMW und Mercedes setzten noch auf Benzin- und Dieselmotoren, als BYD — das ursprünglich Batterien für Mobiltelefone herstellte — 2008 sein erstes Elektroauto vorstellte. Die Bemühungen der europäischen Autohersteller, ihre profitablen Spritfresser so lange wie möglich zu verkaufen, untergruben eine Initiative der Europäischen Union aus dem Jahr 2017, lokale Batterieprojekte zu beschleunigen und mehr Mittel für einheimische Zulieferer bereitzustellen. Während Europa zögerte, preschte China vor und investierte massiv in seine eigene heimische Elektrofahrzeugindustrie.
Als die europäischen Autohersteller 2021 voll auf Elektroautos setzten, war CATL bereits der weltgrösste Batteriehersteller und BYD eine treibende Kraft in der Entwicklung von Elektrofahrzeugen und Zellen. Der in Shenzhen ansässige Autohersteller hat VW als meistverkaufte Automarke Chinas vom Thron gestossen und expandiert in Europa durch die Errichtung von Elektrofahrzeugwerken in Ungarn und der Türkei. CATL hat einen Standort in Deutschland und baut einen weiteren in Ungarn auf, während das südkoreanische Unternehmen LG Chem seit etwa sechs Jahren Batterien in Polen herstellt.
Mangel an qualifizierten Technikern und hohen Energiekosten
Die Bemühungen Europas, lokale Batterie-Champions aufzubauen, haben in den letzten Jahren an Fahrt gewonnen. Doch die Region kämpfe mit einem Mangel an qualifizierten Technikern und hohen Energiekosten, sagte Liana Cipcigan, Professorin an der Universität Cardiff. Inzwischen hat sich der Bau effizienter Fabriken als komplizierter erwiesen als erwartet. Um eine Produktion mit hoher Ausbeute zu reproduzieren, müssen mehr als tausend Prozesse fein abgestimmt werden. Das macht eine direkte Kopie chinesischer oder koreanischer Fabriken praktisch unmöglich.
«Die Herstellung von Batterien ist nach wie vor schwierig — hoher Kapitalbedarf, mörderischer Preiswettbewerb und geringe Margen, und das alles in einer hochpräzisen Fertigungsumgebung mit anspruchsvollen Kunden», so BloombergNEF-Analyst Colin McKerracher. «Die Unternehmen, die darin wirklich gut sind, sind schon lange im Geschäft.»
Die europäische Industrie laufe Gefahr «in den unteren Ligen zu spielen», sagte Martin Winter, Leiter eines Batterieforschungszentrums an der Universität Münster. «Wir werden mit Batterien in die gleichen Abhängigkeiten geraten, wie wir sie bereits mit Öl und Gas haben.»
(Bloomberg)
1 Kommentar
Der Nokia-Effekt. Es ist schlicht dumm rückständige Produkte politisch zu unterstützen. Fossile Fahrzeuge sind Energieverschwender und zudem unkomfortabel.
Leider eine Krankheit der ewiggestrigen Boni-Manager und auch rechten Politiker, Privilegien möglichst zu erhalten. Man klebt an den kurzfristigen Provisionen und will Wandel verhindern. Das Übel dabei, man versenkt die Zukunft.