An der Börse kamen die Neuigkeiten schlecht an: Die RWE-Aktie verlor gegen Mittag mehr als vier Prozent auf 31,64 Euro und war damit einer der grössten Verlierer im Dax . Sie hatte sich in den vergangenen Wochen deutlich verteuert, seit Mitte Februar um gut 16 Prozent.
Die RWE-Führung erhöhte ihre Renditeanforderung an neue Projekte von 8 auf mehr als 8,5 Prozent. In der Folge rechnet der Vorstand in den kommenden Jahren mit geringeren Investitionen: Er will von 2025 bis 2030 nun 35 Milliarden Euro in die Hand nehmen und damit 10 Milliarden weniger als bislang geplant. Das mittelfristige Ziel eines bereinigten Gewinns von 4 Euro je Aktie im Jahr 2030 bleibt unterdessen bestehen.
Vor allem Projekte in den USA stünden auf dem Prüfstand, sagte Finanzchef Michael Müller in der Bilanzpressekonferenz. RWE versucht, sich gegen Zollrisiken und mögliche Änderungen in der US-Energiepolitik zu wappnen. Allerdings können nur noch abhängig von den Rahmenbedingungen die drei Windprojekte vor der US-Küste weitergeführt werden. Bei an Land errichteten Windparks sieht Müller hingegen kein wirtschaftliches Risiko durch revidierte oder fehlende staatliche Genehmigungen.
JPMorgan-Analyst Javier Garrido lobte die Entscheidungen. Ein disziplinierter Einsatz des Kapitals sei eine gute Botschaft an die Aktionäre. Er erinnerte zudem daran, dass der Tiefpunkt der Ergebnisentwicklung 2025 erreicht sein dürfte.
Als Grund für die gekappten Investitionspläne nannte RWE gestiegene Unsicherheiten, Engpässe in der Lieferkette, geopolitische Risiken und höhere Zinsen. Momentan hat RWE Projekte von in Summe 12,5 Gigawatt in Bau, die durchschnittlich eine Rendite von 8,3 Prozent erwirtschaften sollen.
Gemäss der Lesart von RBC-Analyst Alexander Wheeler hat RWE für 2026 nun mehr Flexibilität. Und die Investitionen für das laufende Jahr seien sicher, schrieb er. Zur Anpassung des Kapitaleinsatzes gehöre aber auch, dass RWE jeweils knapp die Hälfte der Offshore-Projekte Nordseecluster, Norfolk, Thor und Sofia dieses oder nächstes Jahr verkaufen wolle, merkte er an.
Finanzchef Müller hatte bereits Mitte November gesagt, dass sich die Investitionen vor allem in den kommenden zwei Jahren verzögern werden. Grund für diese Annahme gab ihm nicht zuletzt der Wahlsieg von Donald Trump. Der US-Präsident gilt als Fan herkömmlicher Energiequellen wie Öl und Gas. RWE sah somit unter anderem grössere Risiken für Offshore-Windprojekte in den USA.
Stattdessen hatte der Energiekonzern im November ein Aktienrückkaufprogramm über 1,5 Milliarden Euro aufgelegt, das im zweiten Quartal 2026 abgeschlossen sein soll. Die RWE-Aktie hatte sich seitdem bis Mittwochabend um rund 10 Prozent verteuert.
Der Lesart von Analysten zufolge schliesst RWE eine Erhöhung oder Verlängerung des laufenden Aktienrückkaufprogramms nicht aus. In der Pressekonferenz darauf angesprochen, äusserte sich Finanzchef Müller ausweichend. Er will es abhängig machen von der Entwicklung des Aktienkurses, sowie den Anfang nächsten Jahres geltenden Voraussetzungen für Investitionsmöglichkeiten.
Im Tagesgeschäft lief es für den Konzern derweil zuletzt überraschend gut. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) brach im vergangenen Jahr zwar um mehr als ein Viertel auf rund 5,7 Milliarden Euro ein. Vom Unternehmen befragte Analysten hatten im Mittel aber einen noch stärkeren Rückgang erwartet.
Im Vergleich zu 2023 haben sich für RWE die Strommargen verschlechtert, die Erträge aus der kurzfristigen Optimierung des Kraftwerkseinsatzes sind zurückgegangen und das Abschneiden im Energiehandel war schwächer. Seinen Aktionären schlägt RWE für das vergangene Jahr wie angekündigt eine Dividende von 1,10 Euro je Aktie vor. Das wären 10 Cent mehr als ein Jahr zuvor. Diese Erhöhung ist auch für 2025 geplant.
Im laufenden Jahr soll der operative Gewinn gemäss der Prognose des Vorstands um Chef Markus Krebber weiter auf 4,55 bis 5,15 Milliarden Euro sinken. Die Erwartungen der Analysten lagen durchschnittlich im oberen Bereich dieser Spanne.
RWE geht davon aus, dass sich die Margen weiter verringern. Dies betrifft etwa den im Voraus verkauften Strom und den kurzfristigen Einsatz von Kraftwerken. Auch der Handel mit Energie dürfte sich verglichen mit dem ungewöhnlich starken Jahr 2023 weiter normalisieren. Die Inbetriebnahme neuer Wind- und Solarparks sowie Batteriespeicher dürfte das nicht ausgleichen können./lew/nas/stk
(AWP)