Die berufliche Vorsorge in der Schweiz ist ein komplexes System, das strengen staatlichen Vorschriften unterliegt. So gibt es etwa einen obligatorischen Teil, wo Eckpunkte wie der Umwandlungssatz (aktuell 6,8 Prozent) oder Mindestzins (aktuell 1 Prozent) genauestens reglementiert sind. Das Obligatorium, also die staatlich vorgegebenen Mindestleistungen für die Altersrente, erstreckt sich gemäss dem BVG-Gesetz von 21'150 bis 84'600 Franken Jahreslohn.
Etwas freier ist der überobligatorisch versicherte Teil des Altersguthabens. Das ist der Lohnanteil, der mit 84'600 Franken beginnt und bis 126'900 Franken reicht. Doch diese Freiheit wirkt sich zu Lasten der Versicherten aus, indem Pensionskassen in der Regel einen tieferen Umwandlungssatz anwenden und das Altersguthaben zumindest gleich tief oder unter dem Obligatorium verzinsen.
Quasi als Ergänzung zu den bestehenden Angeboten in der zweiten Säule werden dank einer Gesetzesanpassung in den nächsten Jahren sogenannte "1e-Vorsorgelösungen" an Bedeutung gewinnen. Der grosse Vorteil daran: Versicherte können eine massgeschneiderte Anlagestrategie wählen, hohe Erträge sind möglich. Das Problem: Nur ausserordentlich gut verdienenden Personen steht diese Option zur Verfügung, nämlich jenen, die ein Gehalt über 126'900 Franken bekommen.
Es folgen die wichtigsten Fragen und Antwort zur 1e-Vorsorgelösung:
Was wird unter «1e-Vorsorgelösungen» verstanden?
Es handelt sich um eine flexible Pensionskassenlösung, bei der dem Versicherten bis zu zehn verschiedene Anlagestrategien zur freien Auswahl stehen. Davon muss von Gesetzes wegen zumindest eine risikoarm sein, sprich ganz auf Aktieninvestments verzichten. Gleichzeitig werden aber je nach Kasse auch sehr risikoreiche Lösungen mit Aktienanteilen von bis zu 80 Prozent angeboten. Der Arbeitnehmer partizipiert direkt am Anlageerfolg. Das 1e-Guthaben kann beim Pensionierungszeitpunkt im Normalfall nur als Kapital – nicht in Form einer Rente – bezogen werden.
Wer darf eine 1e-Vorsogelösung abschliessen?
Diese Option steht ausschliesslich Erwerbstätigen mit einem Einkommen von über 126‘900 Franken zur Verfügung. Nur der Teil des Salärs, der diesen Betrag übersteigt, kann in einem 1e-Plan versichert werden (siehe auch folgende Tabelle). Eine weitere Bedingung ist, dass die Pensionskasse des Arbeitsgebers überhaupt eine solche separate Vorsorgeeinrichtung für das Kader führt.
Übersicht über die 2. Säule:
BVG-Obligatorium | BVG-Überobligatorium | 1e-Vorsorgelösung | |
Einkommen (in Franken) | 21'150 bis 84'600 | ab 84'600 bis 126'900 | ab 126'900 bis 846'000 |
Bezugsmöglichkeit | Rente oder Kapital | Rente oder Kapital | Nur Kapital |
Umwandlungssatz | 6,8 Prozent | Durch PK bestimmt | - |
Verzinsung Altersguthaben | 1 Prozent | Durch PK bestimmt | Rendite der Anlage |
Was ist der Vorteil im Vergleich zur normalen 2. Säule?
Der grosse Trumpf der 1e-Vorsorgelösungen ist die Wahlfreiheit der Versicherten: Während in der normalen Pensionskasse die Anlagestrategie vorgegeben ist, kann hier zwischen verschiedenen Risikostrategien gewählt werden. Ausserdem gibt es keine Umverteilung aufgrund ungünstiger demographischen Entwicklungen: Das gesparte Geld gehört dem Versicherten alleine, so wie das etwa in der Säule 3a der Fall ist.
Welche Risiken sind mit einer 1e-Lösung verbunden?
Das Anlagerisiko geht voll zu Lasten des Versicherten, die Pensionskasse kommt nicht für Verluste auf. Wer stark in Aktien investiert, muss daher mit hohen Renditeschwankungen des Altersguthabens umgehen können. Im Normalfall zahlen sich höhere Risiken über mehrere Jahre in Form höherer Erträge zwar aus. Doch kommt es - gerade in einer schwierigen Börsenzeit - zu einem unerwarteten Jobwechsel, so muss das Altersguthaben unter Umständen mit Verlusten aus der Pensionskasse abgezogen werden.
Wieso die Bezeichnung «1e»?
Der Ausdruck "1e" bezieht sich auf den Paragraphen 1e im Vorsorgegesetz BVV 2. Dieser erlaubt seit 2006 die Wahl zwischen verschiedenen Anlagestrategien in der zweiten Säule und hat die Einführung von 1e-Plänen überhaupt erst ermöglicht.
Weshalb soll die 1e-Vorsorgelösung ausgerechnet jetzt an Bedeutung gewinnen?
Der Grund ist wiederum eine Gesetzesänderung. Seit der Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes im Oktober 2017 können Pensionskassen Verluste direkt der 1e-versicherten Person belasten. Zuvor durften nur Gewinne mitgegeben werden, was für Pensionskassen eine ungünstige Konstellation war. Jetzt können Pensionskassen Hochrisiko-Lösungen anbieten, ohne Verluste befürchten zu müssen. "Diese Änderung hat die Attraktivität von 1e-Vorsorgeplänen für Vorsorgeeinrichtungen signifikant erhöht", schreibt die Credit Suisse (CS) in einer Studie dazu.
Welche Renditen sind möglich?
Wie Daten von Pensionskassenvergleich.ch zeigen, rentierten im ausserordentlich guten Aktienjahr 2017 1e-Lösungen mit einem Aktienanteil von 50 Prozent bis zu 10,9 Prozent (Tellco Vorsorge 1e). Im Schnitt über die letzten 5 Jahre waren jedoch tiefere Werte um 5 bis 6 Prozent Rendite pro Jahr die Normalität. Nicht gelohnt haben sich in den letzten 5 Jahren die risikoarmen 1e-Anlagestrategien ohne Aktienanteil. Die Renditen bewegten sich um null Prozent und waren teilweise sogar negativ.
Wie verbreitet sind 1e-Vorsorgelösungen in der Schweiz?
Aufgrund der hohen Eintrittsschwelle (Einkommen über 126‘900 Franken) handelt es sich eher um eine Randerscheinung. Gemäss Angaben der CS erreichen weniger als 10 Prozent der Erwerbstätigen überhaupt ein solches Einkommen. Das Potenzial für 1e-Vorsorgepläne wird aber immerhin auf rund 50 Milliarden Franken geschätzt. Wie Statistiken der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK) zeigen, gab es im Jahr 2016 erst 13 1e-Vorsorgeeinrichtungen mit insgesamt 6200 Versicherten und einem Vorsorgekapital von 2,3 Milliarden Franken.