Entscheidende Phase

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sagte am Freitag in der ARD, wie das im Sport sei: Gerade auf der Zielgeraden müssten die letzten Kräfte mobilisiert werden. CSU-Chef Markus Söder sagte am Sonntagabend im ARD-«Bericht aus Berlin»: «Wir werden das hinbekommen.» CDU, CSU und SPD hätten den schwersten Teil schon hinter sich. Söder meint den Beschluss zum riesigen Kreditpaket für zusätzliche Ausgaben für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz.

Rehlinger und Söder gehören zur «19er-Gruppe». Das sind die Hauptverhandler von CDU, CSU und SPD. Sie beraten über die Ergebnisse der 16 Arbeitsgruppen - dabei gab es zwar viele Übereinstimmungen, aber auch viele offene Punkte. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach nach Verhandlungen am Samstag in der SPD-Zentrale von der «Clearing-Phase».

Fortsetzung am Montag

Am Montagabend soll die Spitzenrunde erneut zusammenkommen, dieses Mal in der CDU-Zentrale. Dobrindt sagte, bevor die grosse Runde am Montagabend zusammenkomme, gebe es noch kleinere Runden, die als «Problemlösungsrunden» eingesetzt worden seien.

Steht neue Regierung bis Ostern?

Der voraussichtliche neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte ursprünglich angepeilt, bis spätestens Ostern eine neue Regierung zu bilden. Ostern ist in weniger als drei Wochen. Um das zu schaffen, müsste es aber in der anstehenden Woche eine Einigung geben. Denn die SPD hat angekündigt, nach einer Einigung mit der Union auf einen Koalitionsvertrag ihre Mitglieder innerhalb von zehn Tagen darüber entscheiden lassen. Merz sowie auch SPD-Chef Lars Klingbeil hatten zuletzt aber betont, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. Es scheint also fraglich, ob der Koalitionsvertrag bis Ostern steht - auch weil es noch grosse Brocken gibt.

Knackpunkt Finanzen

Zu den grössten Knackpunkten zählen die Finanzen. Im Bundeshaushalt 2025 sowie der Finanzplanung der kommenden Jahre klaffen ohnehin bereits Milliardenlöcher - obwohl die Lockerung der Spielräume bei der Verteidigung neue Spielräume eröffnet. Bei dem 500 Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz soll es sich um zusätzliche Investitionen handeln.

«Wir werden umfassend sparen müssen», sagte CDU-Chef Friedrich Merz. Als Schwerpunkte der möglichen neuen Regierung nannte er neben der die Finanzplanung für den Bundesetat die Eindämmung der irregulären Migration und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Die Wirtschaft steckt nach zwei Rezessionsjahren in einer Krise. Verbände machen Druck und fordern umfassende Reformen.

Zusätzliche Ausgaben

In den Koalitionsverhandlungen gibt es bereits Pläne für neue Milliardenausgaben. So wurde im Sondierungspapier eine Ausweitung der Mütterrente beschlossen, darauf pocht die CSU. Zudem wurden milliardenschwere Entlastungen bei den Strompreisen sowie etwa eine Erhöhung der Pendlerpauschale versprochen.

Viel kosten würde auch eine Senkung der Unternehmenssteuern. Das ist allerdings noch umstritten, genauso wie Entlastungen bei der Einkommensteuer - die SPD will im Gegenzug den Spitzensteuersatz erhöhen, die Union stellt sich quer. Söder bekräftigte in der ARD, Steuererhöhungen seien völlig ausgeschlossen. Die Union habe das Wahlversprechen gegeben, Unternehmenssteuern und Einkommensteuern zu senken.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte am Abend in der ARD, die SPD wolle eine breite Entlastung für Bürgerinnen und Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen. Wenn man eine Entlastung wolle, müsse man sagen, wo das Geld herkomme, sagte sie mit Blick auf die Union.

Dazu kommen strittige Vorschläge aus den Arbeitsgruppen. Beispiel: In der Familien-AG trat die SPD für ein kostenloses Mittagessen für Kinder in Kitas und Schulen ein - Kostenpunkt laut Papier pro Jahr: 11 Milliarden Euro. Die Union lehnt das ab.

Kein «Wünsch Dir Was»

Merz sagte am Freitag, er habe das Gefühl, dass bei manchen Arbeitsgruppen die Überschrift laute: «Wünsch Dir was». Und weiter: «Das wird jetzt unsere Aufgabe sein, das auf das mögliche Mass zu reduzieren.»

Dabei gibt es auch grosse Einsparpotenziale. So würde ein Wechsel beim Stromnetzausbau weg von Erdkabeln hin zu Freilandleitungen Milliarden an Kosten einsparen, wie es in einem Papier heisst. Zudem könnte etwa eine Reform des Bürgergelds aus Unions-Sicht für milliardenschwere Einsparungen sorgen.

Weitere Streitpunkte

In der Migrationspolitik ist die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen ein Hauptstreitpunkt. Im Sondierungspapier heisst es, dies solle «in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn» möglich sein. Ob das bedeutet, dass Nachbarstaaten nur über dieses Vorgehen informiert werden sollen oder zustimmen müssen, darüber gehen die Meinungen zwischen Union und SPD aber auseinander.

Zu weiteren Knackpunkten zählen: soll es eine neue Kaufprämie für E-Autos geben? Soll die Aussetzung der Wehrpflicht aufgehoben werden? Wie konkret soll das Rentenniveau gesichert werden? CDU, CSU und SPD müssen noch viele offene Fragen lösen.

(AWP)