In der Spitze erreichte der deutsche Leitindex bei knapp 19.045 Zählern ein Rekordhoch. Letztlich ging er 1,55 Prozent höher bei 19'002,38 Punkten aus dem Handel. Der MDax der mittelgrossen Börsentitel gewann 1,84 Prozent, er ist mit 26'265,94 Punkten aber noch weit entfernt von seiner Höchstmarke von vor drei Jahren bei über 36'000 Zählern.

Am Vorabend hatte die Fed mit der ersten Zinssenkung seit mehr als vier Jahren um gleich 0,5 Prozentpunkte die Zinswende eingeläutet. «Fed-Chef Jerome Powell will mit der XL-Zinssenkung das Risiko eines ausgewachsenen Abschwungs begrenzen, aber gleichzeitig den Schritt nicht als neues Tempo für weitere Lockerungen der Geldpolitik verstanden wissen», kommentierte Konstantin Oldenburger, Marktanalyst von CMC Markets. Nicht wenige Anleger hatten vorab nur mit einer kleinen Zinssenkung um 0,25 Punkte gerechnet.

«Die Fed hat begonnen, den Fuss von der Bremse der US-Wirtschaft zu nehmen, da sich die Inflation verlangsamt und die Sorgen über die Wachstumsaussichten zunehmen», schrieb Ökonom James McCann vom Vermögensverwalter abrdn Investments. Sollte das Wachstum in den USA nicht genug Fahrt aufnehmen, dann werde die Fed «die Zinsen stärker senken und damit das Risiko einer harten Landung verringern», prognostizierte Analyst Eric Winograd vom Investmenthaus AllianceBernstein.

Bis Jahresende signalisierte Fed-Chef Powell bereits weitere Zinssenkungen um insgesamt 0,5 Punkte. «2025 sollen die Zinsen noch einmal um einen ganzen Prozentpunkt nach unten gehen», schrieb Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege von RoboMarkets. Wenn die US-Wirtschaft mit einer sanften Landung mitspiele, entstünde damit «einmal mehr die beste aller Börsenwelten».

In der Folge stieg die Risikobereitschaft der Anleger, was beispielsweise bei den Aktien deutscher Anlagenbauer zu beobachten war. Kapitalintensive Branchen wie die Hersteller von Ausrüstungsgütern dürften tendenziell von niedrigeren Kapitalmarktzinsen profitieren, sowohl bei der eigenen Finanzierung als auch mit Blick auf die Investitionsneigung der Kunden. Im Dax gewann Siemens 2,5 Prozent. Kion setzte sich mit einem Plus von 6,2 Prozent an die MDax-Spitze. Im SDax verbuchten unter anderem PVA Tepla , Eckert & Ziegler sowie Thyssenkrupp Nucera überdurchschnittliche Kursgewinne.

BASF-Aktien wurden wie schon am Vortag von einem sich abzeichnenden Konzernumbau angetrieben und verteuerten sich um drei Prozent. Eine Abspaltung der Sparten Agrarchemie und Coatings wäre eine «radikale Abkehr» von der lange gepflegten Strategie eines integrierten Konzerns, schrieb Citigroup-Analyst Sebastian Satz. Offenbar sei das Management wirklich zum Wandel bereit.

Zu den wenigen Verlierern im Dax zählte die Deutsche Telekom mit minus 1,7 Prozent. Das französisch-deutsche Investmenthaus Oddo-BHF strich die Kaufempfehlung für die Aktie. Ein gekapptes Kaufvotum der Investmentbank Exane BNP Paribas für die Aktien der DHL Group liess diese um 0,7 Prozent nachgeben.

Deutschlands grösster Wohnimmobilienkonzern Vonovia will seine Tochter Deutsche Wohnen mittels eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags noch enger an sich binden. Das sorgte am Markt für Spekulationen über eine Abfindung für die Inhaber der rund 13 Prozent Aktien, die nicht Vonovia gehören. Deutsche Wohnen sprangen um 19,7 Prozent nach oben, Vonovia-Aktien verloren dagegen 2,4 Prozent.

Wacker Chemie dämmte seine Wachstumspläne für den Rest des Jahrzehnts etwas ein. «Unser Fokus liegt zukünftig stärker auf Margenverbesserung als auf Volumenwachstum», sagte Vorstandschef Christian Hartel anlässlich des Kapitalmarkttags von Wacker. Die Aktien zogen nach zwischenzeitlichen Verlusten um 2,9 Prozent an.

Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 kletterte 2,24 Prozent nach oben auf 4'943,38 Punkte. Für die Länderbörse in Paris ging es ähnlich deutlich aufwärts. Der britische Leitindex FTSE 100 stieg knapp ein Prozent, während der Schweizer Leitindex SMI gut 0,6 Prozent höher schloss. In den USA stand der Dow Jones Industrial zum europäischen Handelsschluss rund ein Prozent im Plus und setzte damit seine Rekordjagd fort.

Am Devisenmarkt stieg der Euro nach der Zinssenkung in den USA und wurde zuletzt mit 1,1145 US-Dollar gehandelt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1156 (Mittwoch: 1,1124) US-Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8963 (0,8989) Euro. Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von 2,16 Prozent am Vortag auf 2,19 Prozent. Der Rentenindex Rex sank um 0,14 Prozent auf 126,92 Punkte. Der Bund-Future gewann zuletzt 0,04 Prozent auf 134,22 Punkte.

(AWP)