Von der wie erwartet ausgefallenen Leitzinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB) gingen keine neuen Impulse aus. Die kamen an diesem Donnerstagnachmittag eher durch die US-Börsen.

Mit einem Plus von 1,03 Prozent auf 18'518,39 Punkte beendete der Dax den Xetra-Handel. Ein starker Hemmschuh auf dem Weg zurück zu seinem Anfang September erreichten Rekordhoch bei knapp unter 19'000 Punkten ist jedoch die gleitende 21-Tage-Linie. Sie verläuft aktuell bei rund 18'545 Punkten und signalisiert den kurzfristigen Trend.

Der MDax der mittelgrossen Börsenunternehmen rückte am Donnerstag um 0,51 Prozent auf 25'233,21 Zähler vor. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 gewann 1,06 Prozent auf 4'814,08 Punkte, und auch an den Länderbörsen in Grossbritannien und der Schweiz wurden Gewinne verzeichnet. In den USA zeigten sich die wichtigsten Indizes zum europäischen Börsenschluss uneinheitlich. Der bekannteste Wall-Street-Index Dow Jones Industrial gab minimal nach, während die technologielastigen Nasdaq-Indizes leicht zulegten.

Die EZB senkte den richtungsweisenden Einlagezins, den Banken für bei der Notenbank geparkte Gelder erhalten, wie erwartet um 0,25 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent. Den Weg dahin hatten die rückläufige Inflation und die schwächelnde Wirtschaft der Euroregion geebnet.

«Die heutige Zinssenkung ist der Lage angemessen», kommentierte Chefvolkswirt Michael Heise von HQ Trust den Zinsschritt. Bis zum Jahresende rechnet er zudem noch mit einer weiteren Senkung. Allerdings, so schränkte er ein, dürfte der Zinspfad im kommenden Jahr «nicht so deutlich nach unten gehen, wie es die Finanzmärkte derzeit erwarten».

Und Marktanalyst Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets schrieb: «Die EZB hat mit der Zinssenkung um einen Viertelpunkt den Ton für die US-Notenbank Fed in der kommenden Woche vorgegeben.» Auch in den USA wird ihm zufolge mit einem Schritt um 0,25 Prozentpunkte gerechnet. Ein grösserer könnte womöglich verschrecken, weil einige am Markt dies als Beweis einer Panikreaktion der Fed werten könnten, auch wenn dies unbegründet wäre.

Die Technologiebranche legte europaweit nach Aussagen von Nvidia-Chef Jensen Huang zu. Dieser sprach auf einer Konferenz der US-Investmentbank Goldman Sachs in San Francisco von einer hohen Nachfrage nach den knappen Chips des Vorzeigeunternehmens in puncto Künstliche Intelligenz (KI). «In New York ist die KI-Fantasie mit voller Wucht aufs Parkett zurückgekehrt», kommentierte Marktanalyst Jürgen Molnar vom Handelshaus Robomarkets. Davon profitierten im Dax auch die Papiere des Chipherstellers Infineon mit plus 1,3 Prozent.

Zudem blieben nach der Kursrally zur Wochenmitte auch die Aktien der Commerzbank im Fokus und legten um weitere 2,2 Prozent zu. Analyst Kian Abouhossein von der US-Bank JPMorgan sieht den Einstieg der Unicredit als Signal für deren Übernahmewillen. Inzwischen bekräftigte der Chef der italienischen Grossbank, Andrea Orcel, das Interesse an einem möglichen Kauf. Zugleich hiess es aber auch, dass die Unicredit in ihrem weiteren Vorgehen flexibel bleiben werde. Der neunprozentige Anteil an der Commerzbank könne erhöht oder auch reduziert werden. Es gebe keinen Zeitdruck.

Unter den besten Werten im MDax gewannen die Anteilsscheine von Teamviewer 2,8 Prozent. Sie profitierten damit ebenfalls von einem zuversichtlichen Analystenkommentar. Der enorme Pessimismus nehme ab, schrieb der Experte Ben Castillo-Bernaus von der französischen Investmentbank Exane BNP Paribas. Die Markterwartungen an den Softwarespezialisten schienen inzwischen vernünftiger geworden zu sein.

Der Euro wurde am frühen Abend mit 1,1039 US-Dollar gehandelt. Die EZB hatte den Referenzkurs am Nachmittag auf 1,1016 (Mittwoch: 1,1043) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,9077 (0,9055) Euro. Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von 2,10 Prozent am Vortag auf 2,12 Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,20 Prozent auf 127,40 Punkte. Der Bund-Future büsste 0,29 Prozent auf 134,75 Punkte ein.

(AWP)