Der Europäischen Union (EU) droht ein riesiger Reputationsschaden. Vor zwei Jahren schnürten die EU-Staaten eilig ein historisches Hilfspaket im Volumen von mehr als 700 Milliarden Euro, um Länder zu stützen, die besonders stark von der Coronavirus-Pandemie betroffen waren. Doch die EU-Staaten hinken bei der Nutzung der vorgesehenen Gelder stark hinterher. Fristen drohen gerissen zu werden. Und Europa wird sich schwer tun, diese zu verlängern.
Der Fall schüre Zweifel, dass die EU Ankündigungen auch umsetzen könne, sagt Manuel Hidalgo vom Esade Zentrum für Wirtschaftspolitik, einer Denkfabrik aus Madrid. Das gehe zulasten der Glaubwürdigkeit der EU. "Wenn das nicht gut ausgeht, werden sie viele Sachen erklären müssen."
Regierungsvertreter aus vier EU-Staaten sagen Reuters, es gebe Probleme, den festgelegten Zeitplan einzuhalten. Deswegen gibt es Verhandlungen, die Vorgaben anzupassen. So könnten zum Beispiel Auszahlungen auch über 2026 hinweg helfen. Das bräuchte aber Einstimmigkeit in der aus 27 Ländern bestehenden Union - ein nicht übermäßig realistisches Unterfangen.
Polen und Ungarn im Clinch mit der EU-Kommission
Vertreter der tschechischen Regierung, die im zweiten Halbjahr 2022 die EU-Ratspräsidentschaft innehatte, halten Einstimmigkeit in der Frage für nahezu ausgeschlossen. Die Parlamente in allen 27 Ländern müssten grünes Licht geben, also auch Polen und Ungarn. Beide osteuropäischen Staaten liegen aber im Clinch mit der EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde wirft den Regierungen in Warschau und Budapest vor, demokratische Standards auszuhöhlen. Milliardenschwere EU-Gelder wurden deswegen auf Eis gelegt. Polen und Ungarn könnten dementsprechend eine Zustimmung beim Corona-Fonds mit der Auszahlung anderer Gelder verknüpfen.
Bis August 2026 müssen bestimmte Zwischenziele und Meilensteine bei den geplanten Investitionen erreicht werden, die die EU-Länder vor allem digitaler und klimafreundlicher machen sollen. 70 Prozent der Zuschüsse und Kredite sollten bis 2022 für konkrete Projekte zugesagt werden, der Rest dann 2023. EU-Daten zufolge sind es aber erst rund 20 Prozent. Dafür wird auch die Unsicherheit nach dem russischen Angriff auf die Ukraine verantwortlich gemacht, weil der Krieg zu einer deutlich höheren Inflation geführt hat.
Beispiel Portugal: Bis Ende 2022 wurden hier lediglich 8,5 Prozent der möglichen Gelder konkreten Projekten übertragen. Die Regierung in Lissabon will den Auszahlungszeitraum verlängern und die Ziele anpassen. Gespräche mit Brüssel soll es noch im Januar geben.
(Reuters/cash)