Für die Lufthansa-Aktie ging es am Donnerstag abwärts. Am Nachmittag lag das Papier zuletzt mit 2,75 Prozent im Minus bei 5,772 Euro und lag damit im unteren Mittelfeld des MDax , der angesichts zunehmender Konjunktursorgen gut zwei Prozent verlor. Der Aktienkurs des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport lag sogar mit rund vier Prozent in der Verlustzone. Frankfurt ist der Heimatflughafen der Lufthansa.

In der Nacht zum Donnerstag hatte die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) die Piloten der Kerngesellschaft sowie der Frachttochter Lufthansa Cargo zu einem ganztägigen Streik am Freitag aufgerufen. Die Verhandlungen mit dem Unternehmen seien gescheitert, befand der Vorstand und genehmigte den eintägigen Streik. Ob daraus ein erneuter Dauerkonflikt zwischen Piloten und Management entsteht wie von 2012 bis 2017, ist bislang nicht absehbar. Damals hatten die Piloten bis zur Einigung 14 Mal gestreikt und dem Konzern einen Schaden von mindestens 500 Millionen Euro beigebracht.

Am Freitag werden laut VC sämtliche Abflüge der Lufthansa-Kerngesellschaft sowie der Lufthansa Cargo von deutschen Flughäfen bestreikt. Die Gesellschaften Eurowings, Lufthansa Cityline und Eurowings Discover sind von dem Aufruf nicht betroffen und sollen planmässig fliegen. Gleiches gilt für ausländische Lufthansa-Töchter wie Swiss, Austrian oder Brussels. Auch Lufthansa-Flüge von nicht-deutschen Startpunkten finden statt, sofern Flugzeuge und Crews bereits im Ausland sind. Passagiere haben bei grossen Verspätungen oder Ausfällen Anspruch auf Erstattung der Tickets und möglicherweise auch auf Ausgleichszahlungen nach EU-Recht.

Lufthansa-Personalvorstand und Arbeitsdirektor Michael Niggemann forderte die VC zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Er sagte: "Uns fehlt jedes Verständnis für den Streikaufruf der VC. Die Arbeitgeberseite hat ein sehr gutes und sozial ausgewogenes Angebot gemacht - trotz der nachwirkenden Lasten der Corona-Krise und unsicheren Aussichten für die Weltwirtschaft." Die Eskalation gehe zulasten Tausender Kunden und Kundinnen.

Laut Lufthansa würden die Forderungen der VC die Personalkosten im Cockpit um 40 Prozent erhöhen. Dies sei selbst ohne Rücksicht auf die finanziellen Folgen der Corona-Krise ausserhalb des Vertretbaren. Zuletzt habe das Unternehmen eine Erhöhung der monatlichen Grundvergütung um pauschal 900 Euro angeboten. Bezogen auf die Laufzeit von 18 Monaten würde das Zuwächse von 18 Prozent für Berufsanfänger und 5 Prozent für Kapitäne in der Endstufe ergeben, teilte die Lufthansa mit. Ein Berufsanfänger käme dann unabhängig vom Flugzeugtyp auf ein Jahresbruttogehalt von rund 81 000 Euro und ein Kapitän in der Endstufe auf knapp 289 000 Euro Grundgehalt.

Die VC hatte neben 5,5 Prozent mehr Geld in diesem Jahr einen automatisierten Ausgleich oberhalb der Inflation ab 2023 verlangt. Das allein würde die Personalkosten um 16 Prozent steigen lassen, sagt Lufthansa. Dazu kämen eine neue Gehaltstabelle (+7 Prozent) sowie mehr Geld für Krankheitstage, Urlaub und Training (+18 Prozent). Auf eine Laufzeit von zwei Jahren würde das eine Mehrbelastung von 900 Millionen Euro bedeuten, erklärte die Lufthansa.

Die VC wollte sich zu diesen "Zahlenspielen" nicht äussern. "Um Arbeitskämpfe abzuwenden, muss Lufthansa ein deutlich verbessertes Angebot vorlegen", erklärte VC-Tarifchef Marcel Gröls. Offizieller Anlass des Arbeitskampfes sind die aus Sicht der Gewerkschaft gescheiterten Verhandlungen über einen neuen Gehaltstarifvertrag. Im Hintergrund schwelt aber ein tief gehender Konflikt über die Konzernstrategie.

Die VC hatte sich in der Vergangenheit die Zahl von 325 Flugzeugen garantieren lassen, die ausschliesslich von den rund 5000 Kapitänen und Ersten Offizieren geflogen werden durften, die dem Konzerntarifvertrag unterlagen. Die Lufthansa hatte diese Vereinbarung unter dem Eindruck der Corona-Krise kassiert, sich nun aber bereit gezeigt, die Flottengarantie in nicht genannter Grössenordnung wiederzubeleben. Damit wären die VC-Piloten vor kostengünstigerer Konkurrenz im eigenen Konzern geschützt. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte zuletzt für den Europaverkehr einen neuen Flugbetrieb mit der internen Bezeichnung "Cityline 2" vorangetrieben, wo das Personal zu niedrigeren Tarifbedingungen arbeiten müsste.

Erst im Juli hatte die Gewerkschaft Verdi mit einem Warnstreik des Bodenpersonals den Flugbetrieb der grössten deutschen Airline für einen ganzen Tag nahezu lahmgelegt. Es fielen über 1000 Flüge aus, und rund 134 000 Passagiere mussten ihre Reisepläne ändern. In der anschliessenden Verhandlungsrunde erreichte die Gewerkschaft für die rund 20 000 Bodenbeschäftigten Gehaltssteigerungen, die insbesondere in den unteren Lohngruppen deutlich zweistellig ausfielen. Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo will im Herbst für ihre Mitglieder verhandeln. Sie erklärte sich "ausdrücklich und uneingeschränkt solidarisch" mit dem Streik./ceb/DP/stw

(AWP)