«Lieber reich und gesund als arm und krank»: Wenn wir diese Redenswendung hören, nehmen wir sie meistens nicht sehr ernst und quittieren sie bestenfalls mit einem kurzen Schmunzeln. Tatsächlich gibt es aber eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen, die zweifelsfrei belegen, dass reiche Menschen nicht nur glücklicher sind, sondern auch gesünder und länger leben. Weniger wissen wir hingegen bislang über die Kausalzusammenhänge, die zu diesem Zusammenhang führen. Sind reiche Menschen deshalb gesünder, weil sie sich eine bessere ärztliche Versorgung leisten können? Oder sind gesunde Menschen reicher, weil sie bessere Ausbildungs- und Einkommensmöglichkeiten haben? Oder gibt es Faktoren wie Intelligenz und soziale Kompetenz, die sowohl gesundheitsfördernd als auch einkommenssteigernd wirken?
Um herauszufinden, welche Kausalzusammenhänge tatsächlich dafür verantwortlich sind, dass reiche Menschen gesünder sind, wäre es aus wissenschaftlicher Sicht ideal, wenn man zufällig ausgewählte Personen einer unerwarteten Vermögensveränderung aussetzen könnte, um anschliessend den Effekt dieser Vermögensschocks auf die Gesundheit der betroffenen Personen zu messen. Dieses wissenschaftliche Ideal ist jedoch nicht realisierbar. Hannes Schwandt von der Northwestern Universität hat deshalb die starken Kursschwankungen an den Börsen als natürliches Experiment genutzt, um interessante neue Erkenntnisse zu den Wirkungszusammenhängen zwischen Reichtum und Gesundheit zu gewinnen. Die Ergebnisse wurden im Oktober 2018 in der Fachzeitschrift Applied Economics veröffentlicht.
Schwandts Datenbasis bildet zunächst die vom Survey Research Center der Universität Michigan durchgeführte Health and Retirement Studie, bei der eine Stichprobe der US-amerikanischen Bevölkerung über 50 Jahre regelmässig zu ihren Gesundheits- und unter anderem auch ihren Vermögensverhältnissen befragt wird. Innerhalb dieser Stichprobe untersucht Schwandt nur diejenigen Personen, die bereits im Ruhestand sind und über ein Vermögen von mindestens 10 000 Dollar verfügen. Anhand des Aktienanteils am Gesamtvermögen errechnet Schwandt anschliessend mit Hilfe der Wertschwankungen des S&P 500 Indexes, welchen Vermögensschocks die Betroffenen innerhalb des Untersuchungszeitraums von 1998 bis 2011 ausgesetzt waren. Schliesslich untersucht er, wie sich diese Vermögensveränderungen auf die Gesundheit der Betroffenen auswirkten.
Die Ergebnisse sind eindeutig! Ein zehnprozentiger Vermögenszuwachs führt zu einer signifikanten Verbesserung des Gesundheitszustandes der Betroffenen. Ihr physischer, psychischer und selbstberichteter Gesundheitszustand verbessert sich jeweils um zwei bis drei Prozent. Zudem steigt die Überlebenswahrscheinlichkeit. Je einhundert Betroffener verringert sich durch den Vermögenszuwachs die Sterberate innerhalb der nächsten zwei Jahre um durchschnittlich einen Todesfall.
In Bezug auf einzelne Krankheitsbilder sind die Ergebnisse sehr unterschiedlich. Am deutlichsten wirken sich Vermögensveränderungen auf den Blutdruck aus. Die Auswirkungen auf Herzkrankheiten sind ebenfalls signifikant, aber deutlich geringer. Für Arthritis, Diabetes und Lungenerkrankungen lassen sich hingegen keine Kausaleffekte nachweisen.
Die Forschungsergebnisse verdeutlichen, dass Anlageentscheidungen mit grosser Sorgfalt getroffen werden sollten. Sie wirken sich nämlich nicht nur auf unser Vermögen, sondern auch auf unsere Gesundheit aus.