Demnächst werden die Aktionäre von Berkshire Hathaway wieder den jährlichen Brief ihres Verwaltungsratsvorsitzenden Warren Buffett erhalten. Er wird dann vermutlich berichten, dass 2021 ein gutes Jahr für die Berkshire Aktionäre war. Schliesslich ist der Aktienkurs im Jahre 2021 um 28,95 Prozent gestiegen. Damit lag Berkshire Hathaway hauchdünn vor dem S&P 500, der es auf einen Wertzuwachs (inklusive Dividenden) von 28,71 Prozent brachte. Im Jahr 2020 schnitt Berkshire Hathaway deutlich schlechter ab. Der Aktienkurs stieg lediglich um 2,4 Prozent, während der S&P 500 Index um 18,4 Prozent zulegte.
Langfristig gesehen weist Berkshire Hathaway jedoch stolze Wertzuwächse auf. Seit 1965 stieg der Aktienkurs durchschnittlich um rund 20 Prozent pro Jahr. Damit ist der durchschnittliche Wertzuwachs doppelt so hoch wie der Vergleichswert des S&P 500.
Ein Grossteil dieses Erfolgs beruht auf Berkshire Hathaways Wettbewerbsvorteil im Geschäft mit Schaden- und Unfallversicherungen. Diesen Wettbewerbsvorteil erklärt Buffett wie folgt. Zwischen den Versicherungsprämien, die von den Kunden an die Versicherung bezahlt werden, und den Schadensansprüchen, die von der Versicherung im Schadenfall beglichen werden müssen, vergeht eine gewisse Zeitspanne. Innerhalb dieser Zeitspanne kann die Versicherung über die einbezahlten Prämien verfügen und diese am Kapitalmarkt anlegen.
Während aber reine Versicherungsgesellschaften bei dieser Kapitalanlage keine allzu grossen Risiken eingehen dürfen und deshalb einen Grossteil in risikoarme Obligationen investieren müssen, kann Berkshire Hathaway aufgrund seiner starken Bilanzstruktur und hohen Liquiditätskraft einen viel grösseren Anteil des verfügbaren Kapitals in riskantere, aber zugleich renditeträchtigere Aktien investieren.
Die stärkere Bilanzstruktur und höhere Liquiditätskraft im Vergleich zu anderen Versicherungsgesellschaften hat Berkshire Hathaway seinen Beteiligungen ausserhalb des Versicherungsgeschäfts zu verdanken. Das versicherungsfremde Geschäft von Berkshire Hathaway ruht vor allem auf drei Säulen. Die erste ist BNSF, Nordamerikas grösste Gütereisenbahngesellschaft. Sie befindet sich seit 2010 zu 100 Prozent im Besitz von Berkshire Hathaway.
Die zweite Säule sind Apple Aktien. Berkshire Hathaway besitzt insgesamt 5,4 Prozent aller Apple Aktien. Apple ist das mit Abstand wertvollste Unternehmen weltweit. Als Buffett 2016 zum ersten Mal Apple Aktien kaufte, lag der Kurs noch bei 27 Dollar, wenn man für den späteren Aktiensplit korrigiert. Ende 2021 war eine Apple Aktie bereits über 177 Dollar wert.
Die vierte Säule ist das Energiegeschäft. Berkshire Hathaway hält 91 Prozent an Berkshire Hathaway Energy (BHE). Diese Tochtergesellschaft ist derzeit vermutlich der interessanteste Geschäftsbereich von Berkshire Hathaway. Dies hat mehrere Gründe.
Erstens hat dieser Geschäftsbereich eine enorme Wachstumsdynamik. Seit der Übernahme durch Berkshire Hathaway im März 2000 ist der Wert der Produktionsanlagen um durchschnittlich 14 Prozent pro Jahr gestiegen. Im gleichen Zeitraum betrug das durchschnittliche Jahreswachstum des Eigenkapitals und des Gewinns je Aktie jeweils 18 Prozent, während der Cash Flow durchschnittlich um 11 Prozent pro Jahr wuchs.
Zweitens besitzt BHE wichtige Wettbewerbsvorteile gegenüber seinen Konkurrenten. Der grösste Wettbewerbsvorteil sind die niedrigeren Kosten und der damit verbundene Preisvorteil. In den USA beträgt der Einzelhandelspreis für eine Kilowattstunde Strom laut Edison Electric Institute 10,79 Cents. Die Tochterunternehmen von BHE können diesen Preis um 14 bis 33 Prozent unterbieten.
Aufgrund der hohen Kapitalintensität der Energiebranche basiert dieser Wettbewerbsvorteil nicht zuletzt auf dem ausgezeichneten Kreditrating von Berkshire Hathaway. Konkurrierende Energieunternehmen weisen bezüglich ihrer Kreditqualität deutlich schlechtere Kennzahlen auf.
Drittens investiert BHE konsequent in erneuerbare Energien. Ende letzten Jahres betrug der Anteil der erneuerbaren Energien bei BHE 43 Prozent und wird konsequent ausgebaut. Soeben hat BHE sein Wind Prime Projekt für Iowa vorgestellt. Dabei plant BHE insgesamt 3,9 Milliarden Dollar zu investieren, um Windanlagen im Umfang von knapp über 2000 Megawatt und Solaranlagen im Umfang von 50 Megawatt zu errichten.
Darüber hinaus verfügt BHE über zahlreiche Übertragungsleitungen und umfangreiche Verteilnetze. Da beide nicht nur Monopolcharakter haben, sondern mit der Zunahme des Anteils erneuerbarer Energien auch erheblich an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnen, besitzen sie ein enormes Ertragspotenzial.
Viertens bedeutet die hohe Kapitalintensität der Energiebranche auch eine sehr lange Amortisationszeit. Hier besitzt BHE aufgrund ihrer Muttergesellschaft Berkshire Hathaway einen weiteren Wettbewerbsvorteil. Da Berkshire Hathaway traditionsgemäss keine Dividenden zahlt, sondern den Marktwert des Unternehmens maximiert, muss BHE seine Gewinne nicht automatisch an die Muttergesellschaft abführen.
Aufgrund der hohen Ertragskraft von Berkshire Hathaway reinvestiert BHE derzeit seinen gesamten Cash Flow in grossem Umfang in Übertragungsleitungen und Verteilnetze sowie in Wind-, Gas- und Solaranlagen. In kleinerem Umfang investiert BHE auch in Wasser-, Erdwärme- und Atomkraftwerke.
Fünftens hat Warren Buffett erst im Frühjahr 2021 den CEO von BHE, Greg Abel, als seinen Nachfolger auserkoren. Damit unterstrich Buffett die Bedeutung des Energiegeschäfts für die Zukunft von Berkshire Hathaway.