Bundesparlamentarier legen vor ihrem Votum jeweils ihre Interessenverbindung offen. Ich will dem nicht nachstehen und es ihnen gleichtun: Ich bin AHV-Rentner. Jeder zusätzliche Zustupf kann mir nur willkommen sein. Und jetzt haben beide Räte entschieden, mir den vollen Teuerungsausgleich zu verwehren: Skandal.
Ernsthaft: Nicht gerade ein Skandal, aber völlig unverständlich wäre es, wenn die Bundesparlamentarier anders entschieden hätten.
Zu den Fakten: Gemäss AHV-Gesetz hat der Bundesrat die Renten «in der Regel alle zwei Jahre der Lohn- und Preisentwicklung» anzupassen. Berechnungsgrundlage hierzu ist der Mischindex. Er entspricht dem Durchschnitt von Lohn- und Preisindex.
Genau das hat der Bundesrat auf Anfang 2023 getan: Rentnerinnen und Rentner erhalten nun 2,5 Prozent mehr Rente.
Ungeachtet dessen stimmten beide Räte im vergangenen Jahr einer Motion der Mitte-Partei zu, bei AHV-Renten den vollen Teuerungsausgleich zu gewähren. Also nicht nur eine Steigerung um 2,5 Prozent gemäss Mischindex, sondern 2,8 Prozent gemäss Konsumentenpreisindex. Auf die Minimalrente gäbe das einen Zuschlag von 7 Franken, auf die Maximalrente 14 Franken pro Monat. Oder wie SVP-Ständerat Alex Kuprecht es ausdrückte: "25 bis 50 Rappen pro Tag."
Im AHV-Gesetz steht noch etwas anderes: Der Bundesrat passt die Renten früher an, falls die Teuerung innerhalb eines Jahres um mehr als 4 Prozent ansteigt. Ist sie das? Nein. 2022 betrug sie 2,8 Prozent. Wie Christian Lohr von einer "historisch hohen Inflationsrate" zu reden, ist Unsinn. Der Thurgauer Mitte-Nationalrat ist nicht jung genug, um die Inflationsraten von über 5 Prozent Anfang der 90er-Jahre verpasst zu haben.
Aber jetzt zur Politik, die insbesondere in einem Wahljahr seltsame Blüten treibt. War da was im September 2022? Haben wir da nicht eben das Rentenalter der Frauen angepasst? Hat man da als Hauptargument nicht die finanzielle Schieflage der AHV ins Feld geführt? Für Frauen der Übergangsgeneration werden zur Kompensation der Rentenaltererhöhung im Mittel pro Jahr 345 Millionen Franken aufgeworfen. Sie kommen gezielt nur den Frauen der höheren Jahrgänge zugute.
Doch der AHV-Zustupf von 0,3 Prozent hätte insgesamt über 400 Millionen gekostet, weil er allen Rentnerinnen und Rentnern zugutegekommen wäre. Je höher deren AHV, desto höher der Zustupf. Giesskannenprinzip nennt man das.
"Worüber sprechen wir jetzt? Es geht um einen fairen Umgang beim Kaufkraftverlust", sagte Christian Lohr in der Nationalratsdebatte. Wenn es wirklich darum ginge, müsste man bei Sozialhilfebezügern, EL-Bezügern, Working Poor und Alleinerziehenden ansetzen. Nur dass diese an der Wahlurne nicht das gleiche Gewicht aufbringen wie Rentnerinnen und Rentner. Wie sagte doch GLP-Nationalrätin Melanie Mettler vor zwei Wochen im SonntagsBlick: "40 Prozent der reichsten Haushalte in der Schweiz sind Rentnerhaushalte."
5 Kommentare
Guten Tag Herr C. Ch. Ihr Bericht ist nachvollziehbar und verständlich. Und ich denke, dass die AHV eines der besten Sozialwerke der Schweiz ist. Trotzdem gibt es einige "Tolggen" im Reinheft. Politisch scheint es fast unmöglich zu sein, die AHV weiter zu entwickeln und an die neuen Zeiten anzupassen. Grosse Würfe scheinen nicht mehr möglich zu sein. Das ist schade und gefährlich. diese Prozentzahlen betreffend Teuerungsausgleich scheinen nur kleine Nebengefechte zu sein. Ich klage nicht, sondern bin dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte neben der AHV persönlich für das Alter zu sparen. Ich habe 42 Jahre AHV bezahlt.
In meinem Berufsleben war ich aber ca. 12 im Ausland tätig, d.h. in der Schweiz abgemeldet. Deshalb konnte ich während der Abwesenheit nur den sog. "Grundbeitrag" damals ca. 500.-- Sfr. pro Jahr einbezahlen. Die 2. Säule war damals rechtlich noch nicht so stark verankert wie heute. Also musste ich mit der 3. Säule und persönlich sparen. Das war für mich gut so weil meine Ansprüche nicht sehr gross sind.
Obwohl ich 42 einbezahlte die AHV aber schon mit 62 bezog, erhalte ich heute eine stark reduzierte AHV.
Darüber klage ich nicht. Und erst recht nicht über die vollen oder halben Teuerungsausgleiche. Vor allem die jetzt aktive Generation muss unter den gegebenen Umständen verstehen. Dass die AHV so oder so nur einen gewissen Bruchteil ihrer persönlichen Altersvorsorge ist. Das ist bedauerlich aber eine Tatsache. Mit den heutigen Pensionskassen, der AHV und den anderen Versorger-Säulen hat der Staat, so denke ich, gute Voraussetzungen geschaffen, dass man sich keine Sorgen machen muss, im Alter zu überleben, mit oder ohne Teuerungsausgleich. ABER, EIGENVERANTWORTUNG spielt auch bei diesem Thema eine wichtige Rolle, und muss von uns allen ernstgenommen werden.
Ja, richtig, aber EIGENVERANTWORTUNG ist den jüngeren Generationen unbekannt. Sie fordern staatliche geregelte Vollkasko inkl. Menstruationsferien. Da ist nix von Demut und Dankbarkeit.
Na ja, es sollte ja schon so sein, dass sich die Legislative an das Gesetz hält. Insofern bin ich einverstanden. Was die 40% der Reichsten anbetrifft, fehlt mir die Definition für die Reichsten. Diese sind definitiv nur wenige % der Bevölkerung und 40% von wenig sind immer noch wenig.
Schräg in der Landschaft ist jedoch meiner Meinung die Tatsache, dass sich dieses Parlament eine Lohnerhöhung selbst genehmigt hat (sie gehören mit Bestimmtheit nicht zu den Geringverdienern) !!
Also da bin ich nicht ihrer Meinung Herr Chatelain. 2.5% inflations Ausgleich bei der ahv . So tief war Inflation in letzter Zeit nie. Und ist jetzt schon wieder bei 3,4% . Zusätzlich wird die Inflation schöngerechnet. Also wollen sie mir erzählen das wäre kein eklatanter Kaufkraft Verlust? Und wer als Rentner zusätzlich vorgesorgt hat soll also bestraft werden? Also besser wir sorgen nicht vor um dann mehr zu erhalten?
Genau, alles aufbrauchen, das Leben in vollen Zügen geniessen und später dem Staat auf der Tasche liegen. Fühle mich auch verarscht, ein Leben Lanz gearbeitet und gespart, dafür werde ich Heute bestraft. Aber Hauptsache der Bundesrat erhält jährlich den vollen Teuerungsausgleich. Das sin die, die vor allem für sich schauen und nicht für das Volk.