Traditionell zum Jahresausklang wagt MÄRKTE & ZERTIFIKATE focus einen Blick nach vorn und fragt, wie wird das neue Börsenjahr 2025? Wie bereits im zurückliegenden Jahr überwiegen die Unsicherheiten. Dennoch, 2024 war ein gutes Börsenjahr. Der Schweizer Aktienmarkt konnte gemessen am SMI um rund vier Prozent zulegen (Stand: 13. Dezember 2024). Keine überragende Performance, aber angesichts der vielen Herausforderungen durchaus beachtlich. Auch im Nachbarland Deutschland konnte der Aktienmarkt überzeugen, der DAX erreichte mit über 20‘000 Punkten neue Rekordhöhen. Sehr gut lief es auch in den USA. Der S&P 500 kletterte von rund 4‘800 auf über 6‘000 Punkte.

Fallende Zinsen als Börsenstütze

Getrieben wurden die Börsenzuwächse vor allem von den fallenden Zinsen. Etwas, was auch 2025 eine grosse Rolle spielen könnte. Da die Inflation auf dem Rückzug ist, eröffnet das den Notenbanken Spielraum für Zinssenkungen. Die Zinssenkungsphase wurde ja bereits 2024 eingeleitet und dürfte sich im neuen Jahr fortsetzen. Exemplarisch ist das auch an den Ausführungen der EZB zu sehen, die am 12. Dezember den Einlagensatz, den Banken bekommen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken, um 0,25 Prozentpunkte auf 3 Prozent gesenkt hat. Zur Begründung verweisen die Währungshüter auf die Teuerungsrate, die im kommenden Jahr das offizielle Ziel von 2 Prozent erreichen könnte. Im November lag sie in der Eurozone noch bei 2,3 Prozent.

Die Notenbanker haben auch zunehmend die schwachen Konjunkturaussichten und politischen Unsicherheiten in der Eurozone im Blick. Insbesondere die beiden EU-Schwergewichte Frankreich und Deutschland machen den Experten Sorgen. Die Regierungskrise in Paris und Neuwahlen in Deutschland stellen grosse Risiken dar. Niedrigere Zinsen können helfen, die wirtschaftliche Situation zu stabilisieren, so die EZB.

Zinssenkungen werden also wohl auch im neuen Jahr eine wichtige Stütze für den Aktienmarkt sein. Allerdings gibt es hier einen Unsicherheitsfaktor, und der lautet Handelszölle. Trump hat die Erhebung von Handelszöllen auf alle Waren angekündigt. So liess er verlauten, dass Waren aus Mexiko und Kanada pauschal mit 25 Prozent Einfuhrzoll versehen werden sollen. Weitere Zölle sind geplant, etwa gegen China und Europa. Handelszölle wirken aber inflationär, da sie die Preise künstlich nach oben treiben.

Dieser Effekt könnte aber durch den Umstand abgemildert werden, dass Trump massiv die Förderung von Öl und Gas steigern will. Es geht zudem die Überlegung um, dass Trump Öl als politische Waffe einsetzen könnte, um den Einfluss der USA in der Welt zu stärken. Ein niedriger Ölpreis würde einige Konkurrenten unter Druck setzen, vor allem Russland und den Iran. Ein niedriger Ölpreis wirkt aber auch der Inflation entgegen.

Unter dem Strich könnte man also davon ausgehen, dass die Inflation kurzfristig wieder anzieht, aufgrund der Handelszölle, mittelfristig aber aufgrund der niedrigen Energiepreise 

wieder abflacht. Unter dem Strich sollten die Zinsen also 2025 fallen, auch wenn die Zinssenkungen unter Umständen später als gedacht kommen.

„Make America Great Again“ sorgt für eine Rotation

Neben den Zinsen könnte aber auch Trumps Wirtschaftspolitik eine wichtige Rolle für die Börse spielen. Trump argumentiert häufig sehr emotional, Entscheidungen werden ad hoc getroffen, das beschreiben viele Beobachter. Wir wissen also nicht im Detail, wie die Wirtschaftspolitik des künftigen Präsidenten ausfallen wird, aber im Groben gibt es durchaus Anhaltspunkte.

Seine Politik steht unter dem Leitgedanken „Make America Great Again“. Das beinhaltet für ihn eine Reindustrialisierung der amerikanischen Wirtschaft. Das produzierende Gewerbe soll gestärkt werden. Das passiert einerseits durch das Angebot an billiger Energie, was amerikanischen Produkten gegenüber ausländischen Waren auf dem globalen Markt einen Wettbewerbsvorteil einbringen soll. Das passiert andererseits durch Handelszölle, die Einfuhren verteuern und damit für den amerikanischen Verbraucher unattraktiver machen sollen. Das passiert aber auch durch eine Art Zwangsamerikanisierung ausländischer Firmen. Wer in den USA verkaufen will, muss dort auch herstellen.

Zu den Profiteuren dieser Politik könnten vor allem erst einmal amerikanische Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe gehören, die auch stark inlandsorientiert arbeiten. Traditionelle Konsumunternehmen etwa, wie Procter & Gamble, aber auch klassische Autokonzerne, wie General Motors, und das Baugewerbe, wie Home Depot und Caterpillar. Sie müssen sich nun weniger Sorgen um ausländische Konkurrenten machen. Zu den Profiteuren werden auch die Energiekonzerne gehören, die sich nun quasi mit einem Blankoschein in der Hand auf die Suche nach Öl und Gas begeben können. „Drill, baby, drill“, ist einer von Trumps vielzitierten Aussprüchen, die Unternehmen wie Chevron in den Fokus rücken.

Neue Impulse erhoffen sich Beobachter aber auch für den amerikanischen Mittelstand, der traditionell eher inlandsorientiert arbeitet und produziert. An der Börse werden die dem Mittelstand zugerechneten Unternehmen meist als „Nebenwerte“ tituliert, was aber ihre Bedeutung für die Gesamtwirtschaft der USA nicht richtig widerspiegelt. US-Nebenwerte, die einen Jahresumsatz von zehn Millionen bis eine Milliarde Dollar erzielen, erwirtschaften zusammen jährlich rund zehn Billionen Dollar Umsatz. Sie sind damit grob für ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts der USA verantwortlich.

US-Traditionsmarken, Energiekonzerne und Nebenwerte – unter diesen Aspekten dürfte es in den USA zu einer Börsenrotation kommen. Oder, um es einmal etwas laxer auszudrücken, weniger Silicon Valley, mehr Rust Belt, also weniger Techwerte, dafür klassische Industrie.

Diese Entwicklung könnte sich auch auf Europa und die Schweiz auswirken. Heimische Exportunternehmen werden es schwerer haben, europäische Unternehmen, die inlandsorientiert arbeiten, werden profitieren, worunter auch viele europäische Nebenwerte fallen. Für den Schweizer Anleger bedeutet das eine Übergewichtung klassischer Industrieunternehmen wie ABB. Aber auch Versicherungskonzerne mit einer starken europäischen Ausrichtung und einem festverankerten Geschäft in den USA wie Zurich Insurance sind interessant. Diese werden von den drohenden Handelszöllen nicht betroffen sein.

Fassen wir also zusammen. Trotz grosser Unsicherheiten sollten Anleger der Börse nicht den Rücken kehren. Auch 2025 wird Chancen bieten, auch wenn Korrekturen nie ausgeschlossen werden dürfen. Doch am Aktienmarkt könnte es zu einer Rotation kommen. Klassische inlandsorientierte Industriewerte und Nebenwerte etwa könnten in den Fokus rücken, wohingegen gerade die in den zurückliegenden Jahren heissbegehrten Techwerte mal eine Auszeit einlegen könnten. Das gilt für die USA, aber auch für Europa.