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Gut vier Wochen ist es nun her, dass russische Truppen in die Ukraine einmarschiert sind – und sich auch an den Finanzmärkten teils dramatische Szenen abspielten. Die Preise für Öl und Gas schnellten nach oben, die Aktienkurse gerieten ins Rutschen.

Selbst der als widerstandsfähig geltende Swiss Market Index (SMI) wurde innerhalb weniger Tage mal eben schnell mit einem Minus von 1000 Punkten oder etwas mehr als 8 Prozent abgewatscht. Die Schwergewichte Nestlé, Roche und Novartis verhinderten noch Schlimmeres.

Wer damals die Nerven verlor und die Reissleine zog, dem dürften beim Blick auf die Aktienmarktentwicklung wohl die Tränen der Verzweiflung in die Augen schiessen. Denn obschon der SMI seit dem vergangenen Dienstag wieder etwas nach unten zurückgefallen ist, errechnet sich von den Jahrestiefstständen aus selbst jetzt noch ein Plus von 12 Prozent. Mit anderen Worten: Das Börsenbarometer steht mittlerweile höher als unmittelbar vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine.

Das veranlasste mich am Freitag denn auch zu folgender Aussage:

In einem Strategiepapier aus dem Hause Goldman Sachs liefern die Autoren um Peter Oppenheimer nicht weniger als sieben mögliche Erklärungen, wieso sich die Aktienmärkte überhaupt so gut halten können.

Der wohl wichtigste Grund sind die tief negativen Realzinsen. In Übersee liegen sie bei minus 5 Prozent. Mit anderen Worten: Wer dort in zehnjährige amerikanische Staatsanleihen investiert, verliert bei gleichbleibender Teuerungsentwicklung aufs Jahr betrachtet 5 Prozent an Kaufkraft. Da überrascht es auch mich nicht, wenn in den letzten Wochen zig Milliarden an Anlagegeldern aus Anleihen in Aktien flossen.

Doch auch in der historisch betrachtet noch immer hohen Risikoprämie von Aktien, den mehrheitlich soliden Unternehmensbilanzen sowie in der zuletzt wieder attraktiveren Bewertung sehen Oppenheimer und seine Mitautoren mögliche Gründe für die Widerstandsfähigkeit der Aktienmärkte.

Einmal mehr zeigt sich: Panik war an der Börse noch selten ein guter Ratgeber. Aber auch: (Geo-)Politisch motivierte Börsen haben für gewöhnlich kurze Beine.

Dennoch wäre es grobfahrlässig, deswegen zu sehr in Optimismus, geschweige denn gleich in Euphorie zu verfallen. Die Bewährungsprobe steht den Aktienmärkten nämlich erst noch bevor. Man braucht keinen Abschluss in Volkswirtschafts- oder Betriebswirtschaftslehre sein eigen zu nennen, um erahnen zu können, was die deutlich stärker als die Konsumentenpreise (Schweiz Februar: +2,4 Prozent) gestiegenen Produzentenpreise (Schweiz Februar: +5,8 Prozent) aus Sicht der Unternehmen bedeuten: Druck auf die Margen.

Wenn der Bauchemiespezialist Sika und der Aromen- und Duftstoffhersteller Givaudan am 12. April mit ihren Umsatzzahlen die Berichterstattung hiesiger Unternehmen fürs erste Quartal einläuten, naht die Stunde der Wahrheit. Dem Schweizer Aktienmarkt – besser gesagt den Aktien der jeweiligen Unternehmen – steht ab dann der eigentliche Lackmustest bevor.

Von Interesse ist dabei weniger der Blick in den Rückspiegel als vielmehr jener in die Zukunft. Nicht die Umsatzentwicklung für die drei vergangenen Monate dürfte dann die Kurse bewegen, sondern vielmehr mögliche Aussagen zur Entwicklung der Margen – oder zumindest der Herstellkosten.

Bilanz der letzten Jahre

JahrAktienfavoritenSPI
2013+40,1 Prozent+23,9 Prozent
2014+11,4 Prozent+15,2 Prozent
2015+  4,1 Prozent+  2,4 Prozent
2016-   3,7 Prozent-   1,7 Prozent
2017+23,6 Prozent+20,1 Prozent
2018- 19,1 Prozent-   8,8 Prozent
2019+25,4 Prozent+30,6 Prozent
2020+  9,8 Prozent+  3,1 Prozent
2021+10,0 Prozent+23,4 Prozent
2022*-   5,8 Prozent-   6,1 Prozent

* Kurse vom 31.März 2022

Ich erhoffe mir davon wichtige Erkenntnisse, ob Aktien denn nun tatsächlich den erhofften Schutz vor Stagflation (Teuerungsschub trotz schwächelnder Wirtschaft) bieten. Bleiben grössere Lohnerhöhungen aus und können steigende (Herstell-)Kosten rasch über Preiserhöhungen an die Kundschaft weitergegeben werden, dann lautet die Antwort vermutlich: Ja. Das letzte Wort ist hier jedoch noch nicht gesprochen. Stagflation würde auch bedeuten, dass sich die Weltwirtschaft verlangsamt und sich die Auftragslage vieler Unternehmen einzutrüben beginnt. Aber womöglich ist es aus Anlegersicht immer noch das kleinere Übel, in Aktien investiert zu sein, als auf Sichtguthaben oder Festverzinslichen schmerzhaft an Kaufkraft zu verlieren...

Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass ich schon in den ersten Dezember-Tagen auf die Stagflationsgefahr hingewiesen habe. Damals wurde ich noch belächelt. Dennoch legte ich wenige Wochen später bei meinen Schweizer Aktienfavoriten für 2022 den Schwerpunkt auf Unternehmen mit einer überdurchschnittlich guten Preisgestaltungsmacht – wie etwa Logitech, Novartis, Oerlikon, Helvetia, Holcim, Cembra Money Bank und Zurich Insurance. Als sogenannte Substanzwerte sah ich in Credit Suisse, Holcim, Zurich Insurance, Helvetia, Oerlikon und Stadler Rail mögliche Gewinner steigender Zinsen.

So richtig ausbezahlt gemacht hat sich das noch nicht. Während sich bei meinen Aktienfavoriten bis und mit Ende März ein Minus von 5,84 Prozent errechnet, notiert der SPI um 6,12 Prozent tiefer.

Aktuelle Positionen Aktienfavoriten

TitelAnzahlEinstandakt. Wert*ErfolgG/V
Barmittel        4'277,50  
Credit Suisse N  1'294     8,58      9'497,96-  1'606,81-14,47 Prozent
Holcim N      312   46,62    14'545,44-      414,96-   2,85 Prozent
Logitech N      128   74,46      8'857,60-      673,56-   7,07 Prozent
Novartis N     113   80,50      9'181,25+       84,92+  0,93 Prozent
Zurich Insurance N        22400,70    10'049,60+ 1'234,20+14,00 Prozent
Cembra Money N      113  66,14      7'684,00+     210,18+  2,81 Prozent
Helvetia N        65107,49      7'845,50+     858,65+12,29 Prozent
Oerlikon N  1'261     8,99      9'331,40-  2'001,05-17,66 Prozent
Stadler Rail N      208  38,99      7'458,88-      651,44-   8,03 Prozent
Zur Rose N        47179,02      6'382,60-  2'031,19-24,14 Prozent
      
Total      94'696,77 -  5,84 Prozent

* Schlusskurse vom 31. März 2022

Nachstehend möchte ich wie gewohnt noch kurz auf einige der Titelpositionen eingehen:

Holcim (Gewichtung: 15 Prozent)

Holcim bleibt die grösste Titelposition. Wie Vontobel-Analyst Bernd Pomrehn kürzlich festhielt, mausern sich die Aktien des Baustoffkonzerns aus dem steuergünstigen Zug immer mehr zu einem dividendenstarken Wachstumswert. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von etwas mehr als 10 auf den diesjährigen Schätzungen werden die Aktien allerdings immer noch wie ein Substanzwert bewertet.

Ich werde jedenfalls den Verdacht nicht los, dass Holcim-Chef Jan Jenisch das Unternehmen zu einer zweiten Sika umbauen will. Vor seinem Wechsel zu Holcim war Jenisch über Jahre hinweg in gleicher Position für den Bauchemiespezialisten tätig. Zum Vergleich: Sika wird momentan mit einem KGV von knapp 39 bewertet.

Dank einem operativen freien Cashflow von jährlich 3 Milliarden Franken und mehr ist es Holcim sowohl möglich, steigende Dividenden auszuschütten als auch den Umbau in Richtung schneller wachsender und höhermargiger Geschäftszweige voranzutreiben. Irgendwann müsste sich das eigentlich in einer grundlegenden Neubeurteilung und Höherbewertung der Aktien niederschlagen.

Novartis (Gewichtung: 10 Prozent)

Als ich am 7. März das fürs Quartalsende geplante Rebalancing vorzog, reduzierte ich die Gewichtung der Aktien von Novartis von 15 auf 10 Prozent. Keine Frage: Ich erachte den Gesundheitskonzern aus Basel noch immer als substanziell unterbewertet. Und dank des Aktienrückkaufprogramms in Milliardenhöhe kann das Unternehmen unterbewertete eigene Aktien zurückkaufen. Dass es selbst bei Kursen unter 80 Franken nicht eine Schippe drauflegt und stoisch Tag für Tag eine halbe Million Titel über die zweite Handelslinie zurückkauft, leuchtet mir allerdings nicht so richtig ein – insbesondere im Wissen, dass Novartis weitere 20 bis 25 Milliarden Dollar zufliessen, sollte man sich auch noch vom Sorgenkind Sandoz trennen.

Die Milliarden für das jetzige Aktienrückkaufprogramm stammen bekanntlich aus dem Verkauf des Inhaberaktien-Pakets an Roche. Für mich bleibt Roche der grosse Gewinner dieser Vergangenheitsbereinigung vom letzten November. Mit 357 Franken je Titel liegt der Verkaufspreis zwar im Rahmen des Durchschnittskurses der 20 der Transaktion vorangegangenen Handelstage der Genussscheine. Beim Paket handelt es sich aber bekanntlich nicht um Genussscheine, sondern um Inhaberaktien. Und diese kosteten damals 400 Franken und mehr. Mit anderen Worten: Novartis verscherbelte das Paket rein rechnerisch mit einem Abschlag von gut 13 Prozent gegenüber dem Schlusskurs vom Tag vor der Bekanntgabe.

Zurich Insurance (Gewichtung 10 Prozent)

Mit einem Kursplus von 15 Prozent führen die dividendenstarken Aktien der Zurich Insurance Group die diesjährige SMI-Gewinnerliste wieder an. Ihnen war es möglich, den Widersacher UBS auf den Silbermedaillen-Rang zu verbannen. Schon in wenigen Tagen werden die Valoren der Versicherungsgruppe ex einer Dividende von 22 Franken je Stück gehandelt. Darauf abgestützt errechnet sich eine ansprechend hohe Rendite von 4,8 Prozent.

Fragt sich nun, wie lange es dauern wird, bis dieser Dividendenabgang wieder wettgemacht werden kann. Neugierig wie ich bin, habe ich mich mal ein bisschen schlau gemacht: Es gab in den vergangenen zwölf Jahren gleich drei Dividendenabgänge, bei denen Geduld gefragt war. Das gilt insbesondere für jenen vom April 2015. Aufgrund hausgemachter Probleme sollte es bis Mitte März 2019 dauern, bis der Kurs der Aktien wieder zum Schlussstand vom Abend vor dem Dividendenabgang aufschliessen konnte. Das sind geschlagene drei Jahre, 11 Monate und zwei Wochen. Auch im April 2010 dauerte es 321 Tage, im darauffolgenden Jahr sogar 720 Tage. Es gibt aber auch erfreulichere Jahre. 2009 war die Dividende bereits nach 10 Tagen wieder wettgemacht, 2018 immerhin nach knapp zwei Wochen. Aufgrund dieser enormen Unterschiede lässt sich keine zuverlässige Faustregel herleiten. Ich bin nun neugierig, wie es sich in diesem Jahr verhält.

Credit Suisse (Gewichtung: 10 Prozent)

Die Credit Suisse kommt nicht aus den Negativschlagzeilen. Erst stolperte Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório über die mehrmalige Missachtung von Quarantänevorschriften, dann sah sich die kleinere der beiden Schweizer Grossbanken zu einer Gewinnwarnung fürs Schlussquartal veranlasst. Und als ob das der Schmach noch nicht genug wäre, steht da noch der Vorwurf im Raum, die Credit Suisse habe über viele Jahre hinweg korrupte Autokraten, mutmassliche Kriegsverbrecher sowie Menschenhändler, Drogendealer und andere Kriminelle als Kunden akzeptiert. Ein Vorwurf, den die Grossbank entschieden zurückweist.

Seit wenigen Tagen wissen wir nun, dass die Credit Suisse wohl auch im zurückliegenden ersten Quartal wieder schmerzhafte Rückstellungen ins Ergebnis hineinverbauen muss. Die Grossbank unterlag auf den Bermuda-Inseln in einem Gerichtsprozess. Es geht immerhin um 500 Millionen Dollar. Da überrascht es mich nicht, will die Credit Suisse in Berufung gehen.

Im Wissen, dass man bei der Grossbank jeden Franken an Eigenkapital an der Börse für weniger als ein "Füfzgi" erhält, wäre ich weiterhin nicht überrascht, wenn die Credit Suisse ins Ausland verkauft würde. Auch dass sich oppositionelle Finanzinvestoren bei der Grossbank einnisten, um einen solchen Verkauf zu erzwingen, scheint mir denkbar. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sind jedenfalls gefordert wie selten zuvor.

Logitech (Gewichtung: 10 Prozent)

Im Zuge des Rebalancing vom 7. März erhöhte ich die Gewichtung der Aktien von Logitech von 7,5 auf 10 Prozent. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass die Zinsen weiter steigen und damit kurzfristig auch bei den Lausannern auf die Kursentwicklung drücken könnten. Nachdem sich die Börsenkapitalisierung seit dem Frühsommer letzten Jahres halbiert hat, konnte ich jedoch nicht widerstehen und habe Aktien zugekauft.

Auf mich machen die firmeneigenen Wachstums- und Gewinnvorgaben fürs Gesamtjahr weiterhin einen eher konservativen Eindruck. Firmenchef Bracken Darrell hebt sich damit das Beste wohl bis zum Schluss auf: Nämlich eine weitere positive Zahlenüberraschung. Das bestärkt mich in meiner Zuversicht.

Kürzlich nahm die Bank of America die Abdeckung der Logitech-Aktien mit einer Kaufempfehlung und einem Kursziel von 95 Franken auf. Die Rechnung der Amerikaner ist denkbar einfach: Selbst auf Basis der pessimistischsten Annahmen würden die Valoren noch immer mit einer freien Cashflow-Rendite in Höhe von 5 Prozent gehandelt.

Helvetia (Gewichtung: 7,5 Prozent)

Wie seit knapp zwei Wochen bekannt ist, blickt Helvetia auf ein erfreuliches Geschäftsjahr zurück. Das Geschäftsvolumen wuchs etwas stärker als gedacht, der Reingewinn wurde den Analystenerwartungen zumindest gerecht. Die Übernahme des spanischen Erstversicherers Caser ist und bleibt ein Glücksgriff. Helvetia war es nicht zuletzt dank Caser möglich, die hohen Unwetterkosten und die Folgen des starken Frankens auffangen zu können.

Vom um 84 Prozent höheren Jahresgewinn haben auch die Aktionärinnen und Aktionäre etwas. Ihnen wird eine um 10 Prozent höhere Dividende von 5,50 Franken je Aktie entrichtet. Das wiederum entspricht einer rechnerischen Rendite von 4,5 Prozent und liegt selbst über den kühnsten Erwartungen.

Für mich war neben der attraktiv hohen Dividende insbesondere der Abschlag der Aktien gegenüber ihrem Buchwert ein Grund, die Aktien von Helvetia erneut auf die Liste meiner Aktienfavoriten zu setzen. Dieser Abschlag wurde in den letzten Wochen abgebaut. Im Vergleich mit anderen Schweizer Versicherungsvaloren sind jene von Helvetia aber noch immer günstig bewertet.

Zur Rose (Gewichtung 7,5 Prozent)

Als ich am 7. März die Gewichtung der Aktien von Zur Rose von 5 auf 7,5 Prozent erhöhte, habe ich nicht in Erwägung gezogen, dass diese wenige Wochen später möglicherweise noch viel günstiger zu haben sein würden. Rund um die Jahresergebnisveröffentlichung herum wurden zeitweise sogar Kurse von weniger als 110 Franken bezahlt. Schuld waren mitunter die eher enttäuschenden Finanzziele für das laufende Jahr. Darin spiegeln sich die Verzögerungen bei der Einführung elektronischer Medikamentenrezepte in Deutschland wider.

In den letzten Tagen konnten die Papiere der Versandapotheke nun endlich etwas Boden gutmachen. Wer nun denkt, dass die Leerverkäufer ihre Wetten gegen Zur Rose zurückgefahren und Kasse gemacht haben, der irrt ganz gewaltig. Erhebungen der Beratungsfirma IHS Markit zufolge haben die Leerverkäufer ihre Wetten sogar weiter ausgebaut und setzen mittlerweile mit 22,4 Prozent der ausstehenden Aktien auf rückläufige Kursnotierungen. Das sind 8 Prozent mehr als noch vor einer Woche und fast 10 Prozent mehr als Ende Februar.

Meines Erachtens ist die landesweite Einführung elektronischer Medikamentenrezepte bei unserem nördlichen Nachbarn weiterhin nur eine Frage der Zeit. Ab dann winken Zur Rose satte Marktanteilsgewinne. Dem Einstieg des Parfümriesen Douglas in den Versandapothekenmarkt blicke ich entspannt entgegen, sind in diesem Zusammenhang doch hohe Vorausinvestitionen zu stemmen. Vorausinvestitionen, welche Zur Rose schon vor Jahren leistete.
 

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