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Beim Blick auf das Kurstableau müssten die Leerverkäufer bei vielen Aktien aus dem Swiss Market Index (SMI) eigentlich am Ziel angelangt sein und ihre Wetten schliessen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Zumindest bei den in New York gehandelten American Deposit Receipts haben sie ihre Wetten teilweise gar kräftig ausgebaut - auch an der Börse kommt der Appetit meist erst mit dem Essen.

Insbesondere auf vier Schweizer Grossunternehmen haben sich die amerikanischen Leerverkäufer jüngst eingeschworen. Den stärksten Anstieg erfuhren dabei die Wetten gegen Novartis. Innerhalb von gerade mal zwei Wochen erfuhren diese mehr als eine Verdoppelung auf 4,9 Millionen Aktien. Im Wissen, dass in der Schweiz an guten Tagen mindestens ebenso viele Titel umgehen - sprich die 4,9 Millionen Aktien bloss einem Tagesvolumen entsprechen - brauchen die Aktionäre des Gesundheitskonzerns aus Basel vorderhand keine schlaflosen Nächte zu haben.

Für Wasser auf die Mühlen der Leerverkäufer könnte allerdings ein Kommentar aus dem Hause Helvea sorgen. Denn darin sieht Autor Bruno Bulic nach dem MS-Präparat Gilenya auch den Glivec-Nachfolger Tasigna die Aufmerksamkeit der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA auf sich ziehen. Der bekannte Pharmaanalyst spricht in diesem Zusammenhang gar von "Leichen im Keller" von Novartis. Gilenya war zuletzt aufgrund einer massiven Verschlechterung des Krankheitsverlaufs bei Patienten nach Absetzung der Behandlung in die Schlagzeilen geraten.

Getreu dem Motto "Des einen Leid ist des andern Freud'" müsste Roche dem Basler Rivalen mit dem eigenen MS-Präparat Ocrevus eigentlich Marktanteile streitig machen können. Bulic zufolge setzte Novartis im vergangenen Jahr 3,2 Milliarden Dollar mit Gilenya um - mit fast 10 Prozent des Jahresumsatzes im Bereich Innovative Medicines sehr viel mehr als bloss ein Apropos. Da liegt es geradezu auf der Hand, dass die Börse verschnupft reagieren würde, sollte Novartis Marktanteile und damit wichtige Umsatzdollars an Roche verlieren.

Doch nicht nur Novartis, auch Roche scheint es den amerikanischen Leerverkäufern angetan zu haben. Nur so lässt sich erklären, weshalb letztere ihre Wetten gegen den Pharma- und Diagnostikkonzern seit der letzten Erhebung zwei Wochen zuvor um satte 63 Prozent auf 1,44 Millionen ADRs ausgebaut haben.

Vermutlich spekulieren die Leerverkäufer auf Vorstösse der amerikanischen Regierung unter Präsident Donald Trump gegen ausufernde Medikamentenpreise. Branchenkennern zufolge würde ein solcher Vorstoss Roche als Weltmarktführer bei Krebsmedikamenten besonders hart treffen.

Was den Markteintritt günstigerer Nachahmerpräparate für Rituxan und Herceptin in Nordamerika anbetrifft, beerdigte die Novartis-Tochter Sandoz jüngst sogar Pläne, eine eigene Version des Krebsmedikaments Rituxan auf den Markt zu bringen. Andere Anbieter dürften mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Weitere Verzögerungen sind deshalb sehr wahrscheinlich, was wiederum Roche zugute kommt.

Noch bis vor wenigen Wochen lagen die Novartis-Aktien sehr gut im Markt. (Quelle: www.cash.ch)

Während sich die Indexschwergewichte Nestlé, Roche und Novartis in den letzten Wochen auch in New York behaupten konnten, befinden sich die hiesigen Grossbankaktien auch in Übersee in einem ziemlichen Stimmungstief. Wer nun aber denkt, dass dortige Leerverkäufer die tiefen Kurse nutzen, um die Gewinne auf ihren Wetten gegen die Aktien von UBS, Credit Suisse und Julius Bär einzufahren, der irrt.

Das Gegenteil ist der Fall: Zuletzt wurde in New York mit 572'000 ADRs gegen Julius Bär spekuliert. Das sind mehr als doppelt so viele Titel als noch zwei Wochen zuvor. Die Wetten gegen die Credit Suisse erfuhren hingegen über vier Wochen hinweg eine Verdoppelung auf 5,8 Millionen ADRs und jene gegen die UBS schwollen zuletzt um immerhin 24 Prozent auf 10,2 Millionen Titel an.

Hoffnungen, wonach die Börsenturbulenzen der letzten Wochen bei den drei Grossbanken zu einer Belebung bei den Kundenaktivitäten führen könnten, erhielten am vergangenen Dienstag einen Dämpfer. Zumindest enthält der Zwischenbericht von Julius Bär für die ersten zehn Monate keinerlei Anhaltspunkte für eine Belebung im Oktober. Ganz im Gegenteil: Der Druck auf die Bruttomarge scheint bei der Zürcher Bank zwischen Juli und Oktober weiter zugenommen zu haben (siehe auch Die Kosten wachsen Julius Bär über den Kopf vom 20. November).

Die Aktien der Credit Suisse (rot) im Zwölf-Monate-Vergleich mit jenen der UBS (grün). (Quelle: www.cash.ch)

Ähnliches dürfte für das Tagesgeschäft bei UBS und Credit Suisse gelten. Die Angst vor möglichen Enttäuschungen liess Analystin Anke Reingen von der Royal Bank of Canada die Aktien der Credit Suisse am Freitag in unmittelbarer Nähe zu den Mehrjahrestiefstkursen gar von "Outperform" auf "Sector Perform" herunterstufen. Und das, obwohl sich vom Kursziel von 15 (zuvor 17,50) Franken auf ein rechnerisches Aufwärtspotenzial von etwas mehr als 25 Prozent schliessen lässt (siehe So bitte nicht, liebe Analysten vom 23. November).

Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass ich eigentlich kein Freund von Bankaktien bin. Denn nicht Milch und Honig fliessen im Schlaraffenland der Schweizer Grossbanken, sondern Saläre und Boni. Die Aktionäre und ihre Interessen stehen nicht selten hinten an (siehe Sind Bankaktien eine fiese Falle für Anleger? vom 13. Juni).

Dennoch scheint mir das Kursdebakel der letzten Wochen bei den Papieren von UBS, Credit Suisse und Julius Bär etwas gar übertrieben. Wer auf eine - möglicherweise von aggressiven Deckungskäufen getragene - Gegenbewegung setzen will, sollte zumindest konsequent mit einer Stop-Loss-Limite arbeiten (siehe auch Ist die CS-Aktie ein «blinder» Kauf? vom 5. November).
 

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